Von Gisela Rudolph
Zum 150. Geburtstag von Maurice Ravel hatte die Deutsche Oper am Rhein zur „Soirée Ravel“ gebeten, erst im Duisburger, jetzt im Düsseldorfer Haus. Eine gesellige, auch feine Abendeinladung fürs zahlende Publikum also, das dies bei der Düsseldorfer Premiere mit wohlwollendem bis herzlichem Applaus goutierte. Guter Spielzeitauftakt für die Choreographen Bridget Breiner und Richard Siegal sowie das Ballett am Rhein als Solisten-Ensemble, ohne Hierarchie eines Corps de Ballet und Solotänzer bis hin zu Primaballerina und Premier Danseur. Guter Einstieg für die neue Spielzeit ebenso für die Düsseldorfer Symphoniker und Rheinopern-Kapellmeisterin Katharina Müllner.
Obwohl eigens nach Paris gefahren, um mit dem Ausstatter Jean-Marc Puissant über den Ravel-Abend zu sprechen, bekannte die Rheinopern-Chefchoreografin Breiner im Programmheft, „was damals aus diesem Treffen hervor gegangen ist“, könne sie „nicht mehr genau“ sagen. Nicht so schlimm. Denn dass allem etwas Politisches, weil Sozialkritisches zugrunde liegt, ist keine überraschende Erkenntnis.
Kriegsszenen erinnern an historischen Kontext
Klar, dass dem „Konzert für die Linke Hand“ Kriegsbezug unterlegt wurde. Immerhin hat der Auftraggeber, Pianist Paul Wittgenstein, im 1. Weltkrieg seinen rechten Arm verloren. Mit welcher Virtuosität Ravel diesen Auftrag umgesetzt hat, zeigt Alina Bercu am Klavier auf der Bühne mit passiv hängendem rechten Arm, dafür mit umso aktiverer linker Hand ein- und nachdrücklich. Getanzt wird dazu in traditionell klassischer Ballettsprache, einzig die von Breiner hinzugefügten antiken Figuren der Göttin der Erinnerung, Mnemosyne (Simone Messner), und Kriegsgott Ares (Lucas Erni) gemahnen neben den Foto-Projektionen von Kriegsszenen an die Bühnenwand an den historischen Kontext.
Mit kritischer Ironie hat dagegen Richard Siegal in seiner Choreographie „La Valse“ nicht gespart. Mit anklingenden Wiener-Walzer-Zitaten und typisch impressionistischen Swing-Motiven hat Ravel auch einen Abgesang auf die Belle Époque komponiert. „Zynismus, Übertreibung“ und „Dekadenz“ sollten Siegals Tänzer laut seiner Aussage im Programmheft vermitteln. Im Auftrag von Sergj Diaghilev, Gründer und Leiter des Ballet Russe, geschrieben, nannte Ravel sein Werk Poème choreographique (choreographisches Gedicht). Dennoch lehnte Diaghilev La Valse ab. Viel Futter jedenfalls für Ausstattung, Choreographie und die Tänzer, die in gebrochener Walzerseligkeit schwelgen durften. Schön anzuschauen und fürs Publikum auch ohne viel Erklärung und Vorwissen gut nachvollziehbar, wie es eigentlich den Erzählballetten vorbehalten ist.
In der Wildnis aufgewachsen
Ein solches hat Bridget Breiner mit ihrer Choreographie „Daphnis et Chloé“ nach dem Roman des antiken griechischen Dichters Longos geschaffen. Aus Ravels Symphonie chorégraphique wählte Breiner Suiten aus für die Sage um die in der Wildnis mit Tieren aufgewachsenen Daphnis und Chloé (Skyler Maxey-Wert und Nami Ito). Griechische Götter begleiten das Erwachen des jungen Paares aus den paradiesischen Zuständen.
Weniger romantisch geht’s zu im „Boléro“, Ravels weltberühmter Komposition und vom Publikum mit Spannung erwartet. Das ursprünglich lediglich etwa 15 Minute dauernde Stück hat Choreograph Siegal durch eine Soundinstallation von Lorenzo Bianchi Hoesch erweitert, die den ersten Teil der markanten Rhythmen der kleinen Trommel begleitete. Etwas auf der Strecke blieb dadurch das spannungsvoll sich aufbauende Trommel-Crescendo. Im Zusammenspiel mit den hinzukommenden Instrumenten des Orchesters bis zum Tutti Fortissimo stellte sich das unvergleichliche Boléro-Feeling Ravels dann aber ein. Die Spannung der scheinbaren Gleichförmigkeit setzten Siegals Tänzer effektvoll auf einem Laufband im Bühnenboden um. Stilisierter Marsch bis hin zum paarweisen Gesellschaftstanz sind das choreographische Repertoire, das buchstäblich schön die „paradoxe Dialektik von fortwährender Spannung bei gleichzeitigem Stillstand“ (Programmheft) vor Augen führt.
Eine abwechslungsreiche Soirée also, gut verträglich, keineswegs nur für Ballett-Fans. Angenehm anzuschauen und anzuhören. Termine unter www.operamrhein.de
Foto: Altin Kaftira