Fake News und Schafott – Bravo-Rufe und Jubel bei Premiere von Bellinis Oper „Beatrice di Tenda“ in Düsseldorf

 

Stacey Alleaume (Beatrice di Tenda) und die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Antonino Fogliani. FOTO: Jochen Quast

 

Klar. Fake News – Falschmeldungen – sind keine Erfindung von US-Präsident Donald Trump.

Desdemona, Anna Boleyn, die spanische Königin Elisabeth – die Reihe der teils fiktiven, teils historischen Personen, die durch Falschaussagen aus Machthunger wie aus nicht erwiderter Liebe zu Tode kamen, ist lang.

Beatrice di Tenda, Titelheldin von Vincenzo Bellinis gleichnamiger vorletzter Oper, teilt dieses Schicksal. Die Unglückliche gab es tatsächlich: Im 15. Jahrhundert war sie mit Filippo Maria Visconti verheiratet. Der despotische Herzog war ihr Verhängnis und ließ sie enthaupten.

Die fast vergessene Belcanto-Oper Bellinis hatte im Düsseldorfer Haus der Rheinoper als konzertante Aufführung umjubelte Premiere. Insgesamt fünf Mal gibt es sie in Düsseldorf und Duisburg zu sehen (Termine unter www.operamrhein.de)

Eine Intrige von Beatrices Hofdame Agnese del Maino setzt die Tragödie in Gang.. Sie ist die Geliebte des Herzogs, also Beatrices Gatten, liebt aber Orombello, dem sie ein Verhältnis mit Beatrice andichtet. Sowohl Hofdame Agnese als auch Orombello sind in den historischen Annalen verbrieft. Ähnlich wie Prinzessin Eboli in Verdis Don Carlos ist Agnese die Unheilstifterin mit der todbringenden Fake News von der heimlichen Liebe zwischen Beatrice und Orombello. Das bestreiten beide der Wahrheit entsprechend energisch. Erbarmungslos lässt Visconti sie gleichwohl foltern

Orombello hält dem nicht stand und legt ein falsches Geständnis ab. Beatrice hingegen hält tapfer durch. Beide werden von Herzog Visconti zum Tode verurteilt. Da hilft auch Agneses Fürbitte nichts. Sie plagen Mitleid und schlechtes Gewissen. Doch umsonst: Auch Beatrice bleibt der Gang zum Schafott nicht erspart. Mit ihrer großen Schluss-Arie bietet ihr Komponist Bellini aber noch ein großartiges Tableau, mit dem sie Gebete und Erbarmen für den grausamen Herzog erbittet.

 

Kopfkino fürs Publikum

 

Wie der begeisterte Beifall schon während der Vorstellung nahelegte, wurde eine Inszenierung des letztlich blutrünstigen Geschehens nicht vermisst. Womöglich sorgen Bellinis dynamisch-melodiöse Kompositionen zwischen spritzig-temperamentvoll, aber auch lyrisch-melancholisch dafür. Sie vermitteln dem Publikum gewissermaßen ein Kopfkino, das Konzentration auf die schöne, expressive Musik ermöglicht. Zumal Dirigent Antonino Fogliani alles über Italiantá weiß und dies den ebenso sensibel wie dramatisch aufspielenden Duisburger Symphonikern vermittelte. Bewundernswert auch, wie Fogliani Chor (Leitung: Patrick Francis Chestnut), Orchester und Solisten zu einer harmonischen Einheit verschmelzen und auch bei Tutti und Forte Transparenz und warmes Timbre nicht vermissen ließ.

Die Solistenriege fügte sich da nahtlos ein. Schön anzusehen die beiden Damen, erst in feuerrot, dann in schwarz attraktiv gewandet: Stacey Alleaume ist als Beatrice di Tenda ein Glücksfall. Ihr dramatisch-lyrischer Koloratursopran ist der Akrobatik von Bellinis Verzierungen ebenso gewachsen wie den lyrischen Parts. Belcanto von den höchsten Spitzentönen über die schön timbrierte Mittellage bis in tiefe Regionen. Stèpánka Pučálková sang mit ausdrucksvollem, höhensicheren Mezzo die erst bösartige, später reuige Agnese. Um so bewundernswerter, dass sie als Einspringerin die anspruchsvolle Partie innerhalb von drei Tagen lernte und souverän auf die Bühne brachte.

Bogdan Baciu gab mit flexiblem Bariton einen furchterregenden Herzog Visconti mit dennoch nobler Ausstrahlung. Konu Kim war Orombello, der völlig zu Unrecht verdächtigt wird, Beatrices Liebhaber zu sein. Sein hell timbrierter Tenor mit energischen Spitzentönen passte gut zum aufrechten Orombello, der nicht weiß, wie im geschieht. Opernstudio-Mitglied Henry Ross lieh sowohl Orombellos Freund Anichino als auch Viscontis Vertrautem und Bruder Agneses, Rizzardo del Maino, Rollen bedingten kurzen tenoralen Glanz.

Konu Kim (Orombello), Stacey Alleaume (Beatrice di Tenda), Antonino Fogliani (Musikalische Leitung), Bogdan Baciu (Filippo), Štěpánka Pučálková (Agnese del Maino), Henry Ross (Anichino). Dahinter der Chor der Deutschen Oper am Rhein und die Duisburger Philharmoniker. FOTO: Jochen Quast

Bravo-Rufe und Jubel nach der knapp dreistündigen Aufführung für alle Beteiligten – vielleicht auch gerade wegen der konzertanten Aufführung, bei der man dem gesamten Ensemble inklusive Chor ebenso wie dem hochkonzentrierten Orchester mit seinem präzisen Dirigenten wunderbar zusehen konnte.

Gisela Rudolph

 

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