Herbert Schenkelberg – Düsseldorfer Polizeipräsident sieht Videobeobachtung als hilfreich an

November 2, 2011 by  

Von Düsseldorfs Polizeipräsident Herbert Schenkelberg (Foto) glaubt man, er sei gegen Videoüberwachung. In einem Vortrag, den er vor wenigen Tagen vor einem Fachpublikum hielt, stellt er seine Sicht der Dinge dar:  Wie hilfreich Videoüberwachung sein kann, welche Gesetze die Polizei davon abhalten sie zu installieren – und wo die Grenzen liegen. In Düsseldorf wird lediglich der Kriminalitätsschwerpunkt Bolker Stern überwacht. Herbert Schenkelberg hat dem Düsseldorf Blog den Vortrag im Originaltext zur Verfügung gestellt:

„Wir alle erinnern  uns an die Bilder aus den U-Bahnhöfen in München und Berlin, die die gewalttätigen und mit größter Brutalität geführten Übergriffe auf arg- und wehrlose Personen dokumentieren.

Aufgenommen und aufgezeichnet wurden diese Bilder durch Videokameras, die die jeweiligen Verkehrsbetriebe in ihren (U-)Bahnhöfen installiert haben. Zum Glück, möchte man sagen, denn ohne die Aufnahme und Aufzeichnung der Bilder würde man der Bevölkerung die Tat und vor allem die ungeheure Brutalität ihrer Ausführung nicht so eindrucksvoll vor Augen führen können und – was wesentlicher ist – die Polizei hätte keine Bilder in der Hand gehabt, mit denen sie nach den Tätern fahnden konnte.

Wir alle sind uns einig, dass gerade in der Möglichkeit, mit aufgezeichneten Bildern nach Tätern fahnden zu können, d e r große Vorteil der Videobeobachtung liegt. Das bekommen nicht nur Sparkassen-Räuber regelmäßig zu spüren.  Auch die terroristisch motivierten „Koffer-Bomber“ konnten ermittelt werden, weil Kameras im Kölner Hauptbahnhof die Aktivitäten der potentiellen Attentäter aufgezeichnet hatten. Die Liste der erfolgreichen Fahndungen mit derartigen Bildern könnte fortgesetzt werden. Und mancher Täter hat sich schließlich unter dem Druck, den die Veröffentlichung seines Konterfeis auslöst, auch gleich selbst gestellt.

Soweit – so erfolgreich, könnte man meinen.

Wenn ich als Polizeipräsident mir die Bilder der U-Bahn-Schläger betrachte, fallen mir allerdings sofort zwei Aspekte auf, die das soeben beschriebene positive Bild in einem etwas anderen Licht erscheinen lassen:

1.    Die Polizei bedient sich bei der Fahndung nach den Tätern solcher Bilder, die sie selbst gar nicht aufnehmen dürfte. Die Kameras der privaten Verkehrsbetriebe hängen an Orten, wo die Polizei sie nicht hätte aufhängen dürfen.

2.    Die aufgezeigten Fallbeispiele zeigen die eigentliche Schwäche der Beobachtung eines Geschehens nur   durch eine Kamera: Das Verbrechen findet statt, quasi vor ihrer Linse: Der Übergriff wird nicht verhindert und es ist auch niemand da, der dem Opfer schnell zur Hilfe kommen könnte. Die Kameras liefern zwar Bilder, mit denen man fahnden kann, die Kameras produzieren aber keine Sicherheit, allenfalls eine Scheinsicherheit.

Ich persönlich habe damit ein Problem. Und angesichts dieses ersten Befundes wird auch schnell deutlich, weshalb über die Videobeobachtung insbesondere durch die Polizei so heftig und so kontrovers diskutiert wird: Das Thema hat ja nicht nur eine kriminalistische Dimension, sondern es ist ja auch gesellschaftspolitisch von hohem Interesse (Stichwort: Überwachungsstaat) und – vor allem – die rechtlichen Probleme sind beachtlich.

Ich werde im Folgenden versuchen, mich diesem komplexen Thema mit einer differenzierten Betrachtung zu nähern.

Dazu bedarf es zunächst der Unterscheidung, ob die Videobeobachtung von sogenannten Privaten oder von der Polizei durchgeführt wird. Die Privaten haben tausende von Kameras aufgehängt, in Kauf- und Parkhäusern, an Tankstellen, in Banken und an Geldautomaten, in Straßenbahnen und U-Bahn-Anlagen, in den Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG. Die Rechtsgrundlage dafür ist im privaten Hausrecht zu sehen: Danach dürfen die Privaten grundsätzlich so viele Kameras aufhängen, wie sie wollen, es sei denn, für einzelne Bereiche gäbe es ein ausdrückliches Verbot, z. B. für Sozial- und Hygieneräume in Firmen, -Stichwort LIDL.   Probleme mit dem Datenschutz bestehen regelmäßig nicht, weil öffentlich auf die Videobeobachtung hingewiesen wird und damit jeder Bürger, der sich in diesen Hausrechtsbereich begibt, in die Videobeobachtung konkludent  einwilligt.

Für die polizeiliche Videobeobachtung gilt etwas  ganz  anderes:
Dürfen die Privaten ihre unzähligen Kameras aufhängen, solange es nicht ausnahmsweise verboten ist, darf die Polizei grundsätzlich keine Kamera aufhängen, es sei denn, dies werde ihr ausdrücklich durch eine spezielle gesetzliche Regelung erlaubt.

Hintergrund für diese Beschränkung der Polizei ist die durch das Bundesverfassungsgericht vorgegebene Bewertung, dass es sich bei der polizeilichen Videobeobachtung um einen Eingriff in das durch Artikel 2 und Artikel 1 des Grundgesetzes gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung handelt. Das ist insofern beachtlich, als die Beobachtung von übertragenen Videobildern rechtlich anders bewertet wird als die Beobachtung der Wirklichkeit durch einen Polizeibeamten; für den letzten Fall bedarf es keiner gesonderten gesetzlichen Grundlage. Die Begründung wird darin gesehen, dass die modernen Kameras über Zoom- und Standbildfunktionen sowie über  Dreh- und Schwenktechniken  verfügen.
Dadurch komme Kameras eine im Vergleich zum menschlichen Auge soweit gesteigerte Leistungsfähigkeit zu, dass Sie eine intensivere Beobachtung ermöglichten und deshalb die Schwelle zum Grundrechtseingriff  überschritten werde.

Für die Polizei gilt also – im Unterschied zu den Privaten – der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, und der Gesetzgeber hat entschieden, die Polizei insofern nur mit eingeschränkten Befugnissen auszustatten. Ich werde darauf noch ausführlich eingehen.
Manche Bürger befürworten diese Beschränkung der Polizei, weil sie jedweder Datenerhebung durch die Polizei mit Misstrauen begegnen.  Andere Bürger können diese unterschiedlichen Regelungen nicht nachvollziehen; vor allem verstehen sie nicht, dass den Privaten bezüglich der Videobeobachtung  deutlich mehr und auch weitergehende Befugnisse zustehen als der Polizei, die ja in erster Linie für die Sicherheit der Bürger zuständig sein soll.

Und eine weitere Schwierigkeit, die polizeiliche Position darzustellen, kommt hinzu: Es ist zu unterscheiden danach, ob es um repressive Maßnahmen der Strafverfolgung geht oder um präventive Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Beide Aufgaben obliegen der Polizei; wir sprechen hier von einer „doppelfunktionalen Zuständigkeit.“ Die entsprechenden Ermächtigungen finden sich in unterschiedlichen Gesetzen, für die einmal der Bundesgesetzgeber und im übrigen der Landesgesetzgeber zuständig ist.

In repressiver Hinsicht ergeben sich die anzuwendenden Rechtsvorschriften aus der  bundesrechtlichen Strafprozessordnung. Wichtig ist, dass eine Videobeobachtung nach diesen Vorschriften sich grundsätzlich nur gegen Personen richten kann, gegen die aufgrund anderweitiger Feststellungen schon ein konkreter Verdacht besteht.

Eine Videobeobachtung mit dem allgemein formulierten Ziel, dass die Polizei zunächst einmal einen Sachverhalt durch Datenspeicherung festhält, um die anfallenden Bilder dann daraufhin zu überprüfen, ob sich Anhaltspunkte für ein straf- oder auch ordnungsrechtliches Verhalten ergeben, wäre nicht zulässig.

Diese Feststellung ist wichtig und hier ergeben sich auch entscheidende Unterschiede zur Videobeobachtung, wie sie etwa in London durchgeführt wird. Dort ist das gesamte Stadtgebiet mit Kameras übersät, die sämtliche Bilder aufzeichnen. Besteht dann Veranlassung, nach einem Verbrechen oder einem sonstigen Vorfall zu prüfen, ob sich aus den aufgezeichneten Videobildern etwas für die Aufklärung entnehmen lässt, kann die entsprechende Suche veranlasst  und evtl. ein Hinweis auf einen Täter gewonnen werden.

Wie gesagt: eine Videobeobachtung durch die Polizei nach der „Methode London“  etwa mit dem Ziel, Bilder für die Aufklärung von nächtlichen Brandstiftungen an PKW zu gewinnen, wäre in Deutschland nicht zulässig.

Praktisch bedeutsam und rechtlich schwierig sind die Fälle, in denen es um eine Videobeobachtung durch die Polizei zur Gefahrenabwehr geht. Insofern finden sich einschlägige Vorschriften in den Polizeigesetzen der Länder, bei uns also im Polizeigesetz NRW. Zu nennen sind hier §§15, 15a, 15b, 17; ergänzt werden diese präventiv ausgerichteten Vorschriften durch §§ 12a und 19a Versammlungsgesetz.

Die zentrale Vorschrift des § 15a PolG, die hier nur betrachtet werden soll, hat folgenden Wortlaut:

„Zur Verhütung von Straftaten kann die Polizei einzelne öffentlich zugängliche Orte, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und deren Beschaffenheit die Begehung von Straftaten begünstigt, mittels Bildübertragung beobachten, solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an diesem Ort weitere Straftaten begangen werden.“

Die Videobeobachtung durch die Polizei ist also in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: Sie darf zum einen nur mit dem Ziel erfolgen, Straftaten zu verhüten, zum anderen ist sie auf einzelne Kriminalitätsbrennpunkte beschränkt; eine Beobachtung aus anderen Motiven oder an anderen Orten oder gar eine flächendeckende Videoüberwachung ist unzulässig. Diese restriktive Ausgestaltung der Vorschrift hat dazu geführt, dass im Land NRW insgesamt nur 5 Videoanlagen durch die Polizei auf öffentlichen Straßen und Plätzen betrieben werden. Eine dieser Anlagen ist in der Düsseldorfer Altstadt in Betrieb – am sog. Bolker Stern – ; daraus mögen Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer entnehmen, dass ich trotz der einen oder anderen kritischen Bemerkung einer Videobeobachtung durch die Polizei durchaus positiv gegenüber stehe.

Mit der eindeutigen Formulierung „zur Verhütung von Straftaten“ setzt die polizeiliche Videobeobachtung in erster Linie auf Abschreckung. Dem liegt die Hoffnung zugrunde, dass ein Täter von der Ausführung einer an sich geplanten Tat Abstand nimmt, weil die Örtlichkeit von Videokameras erfasst wird.

Das wird in Einzelfällen auch tatsächlich so sein, je nachdem, um welche Örtlichkeit und um welche Delikte es sich handelt.

Dass es  einen generellen Abschreckungseffekt gibt, halte ich allerdings für wenig wahrscheinlich; es gibt zu viele Beispiele, die das Gegenteil belegen.
So haben die terroristischen Attentäter in London  –  bevor sie die U-Bahn bestiegen, die sie anschließend in die Luft sprengten – in aufreizender Pose in die Überwachungskameras „gegrüßt“. Und auch die Kofferbomben-attentäter, die am Hauptbahnhof in Köln gefilmt wurden, haben sich von ihrem verbrecherischen Tun von den Kameras nicht abhalten lassen. Vergleichbares gilt für Bankräuber, die trotz ihres Wissens um eine Videoüberwachung den Überfall durchführen.  Und auch die eingangs aufgezeigten Fallbeispiele aus den U-Bahnhöfen in München und Berlin belegen eindrucksvoll, dass die abschreckende Wirkung der Videobeobachtung nicht so greift, wie sich das die Befürworter wünschen. Die Beispiele aus München und Berlin belegen die Erfahrungen, die wir in der Düsseldorfer Altstadt gemacht haben: Der aggressive, möglicherweise durch Alkoholkonsum zusätzlich enthemmte Täter lässt sich von der Kamera nicht abschrecken, wenn er sie denn in seinem Zustand überhaupt wahrgenommen hat.

Ein immer wieder zitiertes Beispiel für einen nicht funktionierenden Abschreckungseffekt ist London. Geht man von dem Anteil der Bevölkerung aus, der binnen eines Jahres Opfer einer Straftat wurde, so war und ist London die gefährlichste Stadt Europas, (vgl. Rheinische Post v. 08.02.2007), und das, obwohl die Londoner Innenstadt seit vielen Jahren flächendeckend videoüberwacht wird.

Letztlich verhält es sich bei dem mit Videotechnik beobachteten Bolker Stern in Düsseldorf auch nicht anders. Er ist auch nach der Videobeobachtung der am meisten mit Straßenkriminalität belastete Platz in Düsseldorf und er wird es auch bei fortdauernder Videobeobachtung bleiben. Gerade in der Düsseldorfer Altstadt (Stichwort: längste Theke der Welt) stellt sich die Frage, ob die jungen Party-Gänger aus  allen Teilen des Landes überhaupt von der Videobeobachtung wissen (nur dann kann es überhaupt einen Abschreckungseffekt geben) bzw. ob sie sich nachts um 02.00 Uhr nach reichlichem Alkoholgenuss noch klar machen, dass sie in einem bestimmten Teil der Altstadt videobeobachtet werden. Ich denke, dass der gewünschte Abschreckungseffekt gerade nachts bei den in der Regel alkoholisierten Tätern nicht wirkt, auch wenn eine Beschilderung auf die Kameras hinweist.

Die hypothetisch zu stellende Frage, ob wir ohne Videobeobachtung am Bolker Stern nicht noch mehr Kriminalität hätten, vermag ich nicht zu beantworten. Andererseits hat die Videobeobachtung nach meiner persönlichen Einschätzung eine erhöhte Dunkelfeldaufklärung zur Folge,  so dass in der Kriminalitätsstatistik mehr und nicht – wie es das Gesetz als Ziel formuliert  –  weniger Straftaten verzeichnet werden.  Einen Grund, die Videobeobachtung am „Bolker Stern“ deshalb einzustellen, sehe ich in diesem statistischen Effekt allerdings nicht.

Eine Abschreckung im eigentlichen Sinne liegt nicht vor, wenn durch die Videobeobachtung bloße Verdrängungseffekte eintreten. Wir müssen davon ausgehen, dass es eine Reihe kriminogener Erscheinungen gibt, die sich durch polizeiliche Maßnahmen nicht beseitigen lassen, auch nicht durch Videobeobachtung. Zu nennen sind hier insbesondere die unter dem Begriff „Drogenkriminalität“ zusammengefassten Delikte und die damit einhergehende Beschaffungskriminalität. Die Sucht der Drogenabhängigen ist so stark, dass sie immer Wege finden, sich Rauschgift zu kaufen und das dafür benötigte Geld durch Straftaten zu beschaffen. Wenn nicht an diesem Ort, dann an einem anderen. Und die bloße Verlagerung einer offenen Drogenszene von A nach B, die gelegentlich als ein Erfolg einer Videobeobachtung gefeiert wird, ist letztlich auch nur ein Scheinerfolg, der zudem nach den Verwaltungsvorschriften, die zu § 15a ergangen sind, auch nicht zulässig wäre. Denn dort heißt es eindeutig: „Vor einem Einsatz der Videobeobachtung ist zu prüfen, ob diese aller Wahrscheinlichkeit nach nur zu einem Verdrängungseffekt führt; in diesem Fall ist Videoüberwachung unzulässig.“

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Polizei die zu präventiven Zwecken erlangten Videobilder aufzeichnen und für eine evtl. Strafverfolgung nutzen darf. § 15a PolG NRW sieht eine solche Möglichkeit  ausdrücklich vor.

Die Strafverfolgungsvorsorge gehört allerdings zum repressiven Tätigkeitsfeld der Polizei, so dass sich die Frage stellt, ob der Landesgesetzgeber eine diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz überhaupt hat; es geht hier um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern im Sinne von Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, was bedeutet, dass die Länder in den betroffenen Bereichen Gesetze (nur) erlassen können, solange der Bund diese Bereiche nicht geregelt hat.

Für die Aufzeichnung von Videobildern mit dem Zweck der Strafverfolgungsvorsorge geht die juristische Literatur überwiegend davon aus, dass die Sperrwirkung aufgrund der Regelungen in der Strafprozessordnung eingetreten ist und entsprechende Landesregelungen daher verfassungswidrig sind.

Die Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen hat diese Problematik bisher noch nicht entscheiden müssen. Vereinzelte verwaltungsgerichtliche Urteile aus anderen Bundesländern gehen – entgegen der in der juristischen Literatur vertretenen Auffassung –  davon aus, dass die Nutzung von Videodaten zur Verfolgung von Straftaten ein reiner Nebenzweck der an sich präventiv ausgerichteten Maßnahme sei. Und dieser Nebenzweck sei nicht geeignet, die mit der Gesamtmaßnahme verfolgte primäre Zweckrichtung der Straftatenverhütung zu verdrängen oder zu überlagern.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte dieser Rechtsauffassung anschließen, wenn die Frage einmal spruchreif werden sollte. Denn wenn die Polizei  spezielle Kriminalitätsschwerpunkte schon rechtmäßiger weise mit Videokameras beobachten  darf, dann sollten die gewonnenen Bilder auch für Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden können.

Eine andere Frage ist es, ob die von der Polizei auf öffentlichen Straßen und Plätzen gewonnenen Videobilder tatsächlich von solcher Qualität sind, dass sie Fahndungsmaßnahmen ebenso erfolgreich unterstützen können, wie dies bei Bildern, die in Hausrechtsbereichen gemacht wurden, sehr häufig der Fall ist. Hier ist eher  Zurückhaltung angebracht, weil die häufig zur Nachtzeit gemachten Bilder nicht immer genügend ausgeleuchtet sind, weil in der Masse der  Menschen  Einzelheiten gelegentlich nur schwer auszumachen sind oder weil die Einblickmöglichkeiten schlecht sind, etwa weil aufgespannte Sonnenschirme, parkende LKW oder belaubte Bäume die Sicht einschränken.  Gleichwohl sind diese Bilder für eine polizeiliche Fahndung von besonderem Wert und ich kenne konkrete Einzelfälle, in denen die Bilder die Arbeit der Polizei sehr unterstützt haben.

Abschreckungseffekt und Fahndungsunterstützung sind also wichtige  Aspekte,  die bei der Bewertung  einer polizeilichen  Videobeobachtung zu berücksichtigen sind. Mir persönlich erscheint aber ein weiterer Aspekt noch wesentlicher, obwohl dieser in der öffentlichen Diskussion (noch ) keine große Rolle zu spielen scheint.

Zur Verdeutlichung möchte ich noch einmal auf die U-Bahn-Schläger von München und Berlin zurückkommen. Denn hier hatte sich gezeigt, dass das Aufhängen von Kameras allein noch nicht zu einer  Verbesserung der objektiven Sicherheit führt. Die Gewalttat wird nicht verhindert und eine schnelle Hilfe ist nicht organisiert. Trotz der Kamera bleibt das Opfer mit dem Täter allein und ist ihm ausgeliefert. Die Kameras werden damit allenfalls zu machtlosen Zeugen der Gewalt, wo doch  konkrete Hilfe erforderlich wäre.

Mich als Polizeipräsident brächte ein solches Video, wenn es von einer polizeilichen Kamera aufgenommen worden wäre, in arge Erklärungsnot. Denn hier drängt sich dem kritischen Betrachter die  auch aus meiner Sicht berechtigte Frage auf,  ob mit dem Installieren von Videokameras in öffentlich zugänglichen Bereichen nicht auch das Versprechen an den Bürger enthalten ist, dass man ihn und seine Situation „im Auge“ hat und ihm bei Bedarf auch schnell zur Hilfe eilt. Ich müsste  diese Frage – wenn sie mir denn gestellt würde –  bejahen, zumal sich ein solches Versprechen ja auch einhalten ließe. Denn: wenn die Videobeobachtung nicht alleine für sich steht, sondern Teil eines einheitlichen Sicherheitskonzeptes ist, das auf die besondere Situation der jeweiligen Örtlichkeit abgestimmt ist, wenn sichergestellt ist, dass die Bilder der Kameras auf Bildschirme übertragen werden, diese Bildschirme laufend beobachtet werden und wenn zudem auf Kräfte zurückgegriffen werden kann, die unverzüglich vor Ort eingreifen, dann verbessert sich auch die objektive Sicherheitslage. Schnell eintreffende Hilfe kann weitere Straftaten und das Eskalieren gefährlicher Situationen verhindern. Vor allem erhält das Opfer tatsächlich und schnell die Hilfe, auf die es wartet und auf die es dringend angewiesen ist.

Ein derartiges Konzept, das auch das Vorhalten von Interventionskräften beinhaltet, ist allerdings personalaufwendig und damit teuer. Gerade wegen der nicht unerheblichen Kosten sehe ich mich in meiner Funktion nicht in der Lage, dies für die Betreiber von privaten Videokameras verbindlich  zu fordern.

Für die Videobeobachtung durch die Polizei erscheint mir aber ein derartiges Konzept zwingend und insofern kann ich mich auch auf die  zu § 15a PolG NW ergangene Verwaltungsvorschrift berufen, wonach „die Videobeobachtung im Rahmen eines Gesamtkonzeptes einzusetzen ist, das auf die spezifischen Gegebenheiten abgestimmt ist und das  ergänzende Maßnahmen vorsieht.“

Ein Beispiel für den effektiven und erfolgreichen Einsatz polizeilicher Videobeobachtung findet sich in Düsseldorf, am sogenannten Bolker Stern. Bei diesem handelt es sich um eine exponierte Örtlichkeit, um das „Tor zur Altstadt“. Hier treffen nachts tausende alkoholisierter Party-Gänger aufeinander, wenn sie aus der Altstadt strömen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi nach Hause fahren wollen. Statistisch gesehen ist der Bolker Stern der Kriminalitätsschwerpunkt in Düsseldorf, an dem es besonders häufig auch zu Schlägereien kommt. In der nur wenige Meter entfernten großen Polizeiwache an der Heinrich-Heine-Allee ist sichergestellt, dass die Bildschirme besetzt sind, sobald die Kameras laufen. Und es stehen jederzeit genügend Interventionskräfte zur Verfügung, die unverzüglich und in angemessener Stärke eingreifen können. Das versetzt die Polizeibeamten in die Lage, sehr schnell vor Ort zu sein und  das Eskalieren von Situationen konkret zu verhindern und dem in Not befindlichen Opfer schnell zu helfen.

Konsequenterweise bedeutet das aber auch, dass die Polizei eine Videobeobachtung nicht an solchen Orten installieren sollte, wo eine schnelle Intervention nicht sichergestellt werden kann.

Bleibt die Frage, ob die Vorschrift des § 15a PolG NRW, die eher restriktiv ausgestaltet ist, verändert werden sollte mit dem Ziel, mehr Videobeobachtung durch die Polizei zuzulassen.

Ich möchte das verneinen.

Eine Gesetzesänderung mit  dem  Ziel, durch eine Stärkung des repressiven Teils der polizeilichen Tätigkeit die Fahndungsmöglichkeiten analog zum Londoner Modell  zu verbessern, kommt bereits wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz  des Landes nicht in Betracht, ganz abgesehen davon, dass sich dafür auch keine politische Mehrheit finden würde.

Demgegenüber erscheint  mir die derzeitige Beschränkung auf die Kriminalitätsbrennpunkte als ein sinnvoller Kompromiss. Er ermöglicht  es der Polizei in ausreichendem Maße,  gerade an gefährlichen Örtlichkeiten mit konzeptionellen Maßnahmen  und unter Einbeziehung von Videotechnik zwar nicht den ersten Schlag, aber doch weitere Straftaten und eine Eskalation  zu verhindern und konkreten Gefahren wirksam zu  begegnen.

Bei einer Ausweitung der polizeilichen Videobeobachtung hingegen wären wegen der knappen personellen Kapazitäten die Grenzen der Interventionsmöglichkeiten schnell erreicht und damit das konkludent abgegebene Hilfeversprechen der Polizei gefährdet.

Schließlich bewahrt uns die Vorschrift des § 15a PolG in ihrer jetzigen Fassung auch davor, das Instrument der Videobeobachtung aktionistisch und inflationär einzusetzen und letztlich statt Sicherheit nur eine Scheinsicherheit zu produzieren.

Insbesondere vor letzterem sollten wir uns auch in Zukunft hüten.

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