Samstags in Düsseldorf: Die weißhaarige Dame an der Aldi-Kasse, „Das weiße Band“ im Cinema und Spaghettini Vongole last minute
Oktober 25, 2009
Die Scanner-Kasse hat den Bezahlvorgang zu einem Stresstest gemacht, der am Ende eines Einkaufs steht. Dabei fällt auf, dass die Schnelligkeit des Kassenpersonals umso höher ist, je niedriger die Preise in dem Geschäft sind. In den wenigen noch verbliebenen „Lädchen“, oftmals erweiterte Kioske, geht es am ruhigsten zu. Die nächste Stufe wird von Kaiser’s und Rewe bestimmt. Hier kann der Kunde noch gegen die Kasse anpacken.
Bei Aldi ist das fast aussichtslos. Hier erwartet die Kassiererin, im Wissen dass ich im sportlichen Wettstreit der Verlierer sein werde, dass ich gegen ihre flinken Hände und die Elektronikkasse nicht ankommen werde, dass die Waren in den Einkaufswagen geworfen und nicht zeitaufwändig in Tüten verstaut werden. Ich mache mich bei ihr beliebt, wenn ich ihr Sekunden nach dem Passieren des letzten Einkaufgutes einen Euroschein in die Hand drücke, denn das Zusammenklauben von Kleingeld versemmelt ihre Kundenabfertigungszeit. Gelegentlich, bei mittelgroßen Einkäufen, verpacke ich die Waren doch während des Scannens in der Tüte, in einer Mischung aus Trotz und sportlichem Ehrgeiz. Das geht manchmal zu ihren Gunsten aus (dann fege ich die restlichen Waren in den Korb), manchmal zu meinen, was bei der Kassiererin meistens eine leichte Überraschung auslöst.
Nun kann man die These vertreten, dass die Kassiererin, meistens ist bei Aldi eine Frau an der Kasse, ein Sklavin des Systems sei, eine Getriebene, unterbezahlt dazu. Da ist sicherlich was dran.
Die Aldi-Kassiererin gestern hat ihre Rolle und den Systemdruck, wie immer sie persönlich das definieren mag, voll verinnerlicht. Sie durchlitt sichtlich körperliche Qualen, als eine weißhaarige Dame um die 75, völlig entspannt und dabei plaudernd achtEurofuffzig aus ihrem kleinen, unübersichtlichen Portemonnaie zusammenkramte. Das dauerte gefühlte fünf Minuten, tatsächlich mindestens eine Minute und der Gesichtsausdruck der Kassiererin veränderte sich dabei mehrfach.
Doch die weißhaarige Dame hatte noch eine zweite Schikane auf Lager. Sie hatte offensichtlich für jemanden einige Waren zusätzlich eingekauft, sorgfältig mit dem dreieckigen Trennstöckchen separiert. Und wieder begann der Bezahlvorgang aus dem kleinen Portemonnaie. Die Suche nach weiterem Kleingeld gestaltete sich nicht erfolgreich, so dass die Dame, sich ihrer Rolle als Störfaktor in keiner Weise bewußt, der Kassiererin schließlich freundlich lächelnd einen 10-Euro-Schein überreichte. Die Kassiererin, mittlerweile mit einem versteinerten Gesicht, nahm den Schein nicht engegen: Sie riss ihn an sich. Und sie erweckte dabei den Eindruck tiefsten Beleidigtseins.
Sie bot ein bedauernswertes Bild und wird ihrem Mann, sie trug einen Ehering, die Geschichte gestern gewiss beim Abendessen erzählt haben. So hat jeder seinen Stress.
Das UCI-Kinocenter bietet eine Reihe von auf der Hand liegenden Vorteilen. Es hat große Leinwände, zeigt viele Filme am gleichen Abend und bietet die für den Kinobesucher unverzichtbare Infrastruktur – Popcorn, Chips, Eiscreme und Getränke. Auch hier wird überraschender Weise der Film „Das weiße Band“ von Michael Haneke gezeigt. Doch kann man hier solche Filme sehen? No way!
Das kleine Cinema in der Schneider-Wibbel-Gasse war gut gefüllt, was den Besucher dazu veranlasste, den Eintrittspreis von 8,50 Euro für den Überlängefilm (ca. 140 Minuten) mit der Zahl der Besucher zu multiplizieren und daraus die Erkenntnis zu gewinnen, dass der Betrieb eines solchen Kinos lohnend sein kann, entsprechende Filmangebote vorausgesetzt, natürlich.
Den Film kann man uneingeschränkt empfehlen. Hanekes eindringliche Kamera, exzellentes Casting, cinematographische Sorgfalt in jeder Hinsicht, haben ein Stück Erzählkino produziert, das zu Recht ausgezeichnet (Goldene Palme, Cannes), opulente Langatmigkeit bietet. Dies soll keine Filmkritik sein, Interessierte haben sich ohnehin bereits informiert oder den Film längst gesehen. Es ist ein Plädoyer für kleine Kinos. Popcorn gibt’s im Cinema auch.
Das „San Leo“ in der Wallstraße ist einer der verläßlichsten Italiener in Düsseldorf und gewiss der beste in der Altstadt. Es hat keine eigene Website, es akzeptiert weder Kredit-, noch EC-Karten und es kann sich erlauben, Gästen, die am Samstagabend, kurz nach 22 Uhr kommen, die Tür zu weisen: Feierabend.
Das findet man, der eine Viertelstunde vorher noch etwas mürrisch akzeptiert wurde, auf den ersten Blick etwas merkwürdig, wenig gastfreundlich, vielleicht sogar ein wenig überheblich. Die abgewiesenen Gäste knurrten denn auch etwas wie „Es gibt ja noch andere Restaurants“und werden so schnell nicht wiederkommen.
Andererseits wollen sechs Mitarbeiter bezahlt werden und gewiss würden sie auch Überstunden-Entlohnung erwarten, außerdem war die Mannschaft seit mittags fleißig und hat wie alle arbeitenden Menschen ein Recht auf einen Feierabend.
Die Spaghettini Vongole (9,80 Euro) Last Minute waren köstlich: Große Portion, In der Pfanne geschwenkt, reichlich Muscheln, fein abgeschmeckt mit Petersilie und Weißwein, nur wenig Knoblauch, auf dass der Muschelgeschmack nicht erschlagen werde.
Und der nächste Geldautomat ist ja am Carlsplatz, nur zwei Minuten entfernt…
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