Einfach eine Wucht – Beifallsstürme für Tschaikowskys „Die Jungfrau von Orléans“ an der Rheinoper
Dezember 13, 2022
Richard Šveda (Lionel), Maria Kataeva (Johanna) – Foto: Sandra Then
Von Gisela Rudolph
Nahezu ungläubig schaute Maria Kataeva angesichts des frenetischen Jubels beim Premieren-Schlussapplaus ins Publikum. Damit hatte die in Sibirien geborene und seit 2011 in Düsseldorf engagierte Mezzosopranistin trotz der Vorschusslorbeeren für ihr Debüt als „Jungfrau von Orléans“ in Tschaikowskys gleichnamiger Oper offenbar doch nicht gerechnet. Bewundernd hatte Regisseurin Elisabeth Stöppler in einem Zeitungsinterview schon vor der Premiere der Grand Opéra festgestellt: „Die singt das nur so weg.“
Mehr noch: mit welcher Leichtigkeit Kataeva diese hoch anspruchsvolle, großangelegte Partie voller Dramatik, aber auch Lyrik stimmlich ebenso wie darstellerisch auf die Bühne bringt, ist einfach eine Wucht. Dazu bringt die grazile Sängerin auch optisch alle Attribute einer „Jungfrau“ mit, die als Teenager ihre göttliche Mission erhielt, die Franzosen im Krieg gegen die Engländer zum Sieg zu führen.
Eng an Schiller
Tschaikowsky macht es trotz Dichte und Vielschichtigkeit seiner gewaltigen Komposition der Regisseurin, ihren Protagonisten und dem Chor bei aller Komplexität leicht, eine große Menschen-Tragödie bester romantischer Couleur zu zelebrieren. Satter Klangteppich in typischer Manier des weltberühmten russischen Komponisten mit Anklängen an Verdi und Wagner machen es auch dem Zuschauer nicht schwer, in dieses beispiellose Drama einzusteigen. Eng an Schillers „Jungfrau von Orleans“ hat er sich als Librettist seiner musikalischen Theatralisierung des bis heute bewegenden Stoffs gehalten. Mit Focus auf der Liebe zwischen Engländer Lionel (Richard Šveda) und Johanna gibt es nicht nur ein betörendes Duett der beiden zu hören, sondern auch eine neue Perspektive auf Johannas Ende. Elisabeth Stöppler siedelt das nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern in der Kirche an: Johanna bricht über dem getöteten Lionel zusammen, vor dem Hintergrund der alles und alle verzehrenden Kriegsflammen.
Gewiefte Inszenatorin
Die Kirche als einzigen Spielort (Bühne: Annika Haller, Kostüme: Su Sigmund) der gesamten Oper zu wählen, war in geschickter Schachzug der Regisseurin. Schließlich ist die Kirche gerade in Kriegszeiten Zufluchtsort für die Menschen – und fürs Publikum überschaubarer Ort, der die Handlung mit Massen- und Individualszenen nachvollziehbarer macht. Dabei zeigt sich Stöppler als gewiefte Inszenatorin der Personenregie, die der großen Menge verschiedene Gesichter gibt ebenso wie beispielsweise dem Liebespaar Lionel und Johanna beim leidenschaftlichen Kuss. Sie hat recht: Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ taugt als „Einsteiger-Oper“. Zeugnis dafür waren die begeisterten Zuschauer. Mit stehenden Ovationen feierten sie ein Opus, das es nur selten auf die internationalen Bühnen geschafft hat und an der Rheinoper noch nie zu sehen war. Gewissermaßen eine gelungene Bescherung fürs Publikum, für das gesamte Regieteam ebenso wie für die Protagonisten mit einem großartigen Solistenensemble und dem fabelhaft singenden und agierenden Chor (Leitung: Gerhard Michalski). Und natürlich für die Düsseldorfer Symphoniker unter Péter Halász. Nicht zuletzt auch für Intendant Christoph Meyer, dem die Beifallsstürme süßer in den Ohren geklungen haben könnten, als es die Adventsglöckchen wohl je vermöchten.
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