„Eugen Onegin“ – Premiere in der Düsseldorfer Oper
März 1, 2024
Woher rührt nur die Aversion der sogenannten modernen Regie, eine im wörtlichen Sinne anschauliche Inszenierung von kraftvollen, spannenden, berührenden Werken wie Peter Iljitsch Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“ auf die Bühne zu bringen?! Für die Zuschauer blieb bei der Düsseldorfer Reinopern-Premiere wenig zu sehen vom Ambiente des Landadels, der Bauern und der „lyrischen Szenen“, als die Tschaikowsky seine Oper ausdrücklich bezeichnet hat. Auch nicht vom mondänen St. Petersburg, in dem Tatjana später ihr Leben als Ehefrau des Fürsten Gremin verbringt. Ihr Herz jedoch hängt da immer noch an Eugen Onegin, den sie durch Lenski, den Dichter und Gutsherr sowie Verlobten ihrer Schwester Olga, vor Jahren kennengelernt hat. In einem Brief hat Tatjana Onegin seinerzeit ihre Liebe gestanden, wurde aber von ihm zurückgewiesen. Als in St. Petersburg Onegin nun ihr seine Liebe gesteht, kassiert er einen Korb.
Boy meets Girl führt halt leider keineswegs immer zum Happy End, zumal wenn Leichen den Weg pflastern: Lenski wird nämlich von seinem angeblich besten Freund Onegin im Duell erschossen. Grund: Eifersucht, weil Onegin mit Lenskis Verlobter Olga getanzt hat.
Abstrakte Bühnenbild-Segmente
Nein, wir sind keine Anhänger der naiv-naturalistischen Abbildung einer (Opern-)Handlung. Doch jegliche sinnlich wahrnehmbare Atmosphäre der Geschichte auf der Bühne zugunsten abstrakter Bühnenbild-Segmente zu verbannen, macht ein Werk meist eindimensional.
Regisseur Michael Talheimer hat sich mit seinem Bühnenbildner Henrik Ahr für ziegelsteinartige Wände entschieden, mobil einsetzbar als Treppen, Podeste oder als Ganzes. Und – Überraschung! – die Treppen führen meist abwärts, die Wände rücken immer näher an die handelnden Personen und engen sie ein. Eine auf der Hand liegende Symbolik, die mit angeblich teurer, aufwändiger Lichttechnik (Stefan Bollinger) ergänzt wird. Auch hier eine buchstäblich einleuchtende Symbolik der Farbe Rot, die sowohl für Blut als auch für Liebe steht. Kann man drauf kommen. Was ja gut ist. Nichts ist schließlich ätzender als das Rätselspiel, was der Autor wohl damit sagen will…
Doch allzu simpel ist auch unbefriedigend. Oder hat Thalheimer nicht soviel emotionalen Zugang zur russischen Romantik? Oder als vielbeschäftigter Star-Regisseur einfach keine Zeit dafür? Oder hat die Kosten-Nutzen-Rechnung zu einem straffen Zeitmanagement veranlasst? Nicht zuletzt zur Wahrung der derzeit vieldiskutierten Work-Life-Balance?
Dramaturgisch-musikalischer Klangteppich
Ein schöner Opernabend wars trotzdem. Zu verdanken ist dies Tschaikowskys wunderbarer Komposition, vom designierten Rheinopern-Chefdirgenten Vitali Alekseenok und den fabelhaft disponierten Düsseldorfer Symphonikern zum Klingen gebracht. Schwelgerisch-dramatisch mit Sinn für lyrisch-leise Töne rauschte die Musik durch den nahezu ausverkauften Zuschauerraum. Ein dramaturgisch-musikalischer Klangteppich für Sänger und Chor (Gerhard Michalski), der einmal mehr seine Klasse bewies. Großartig in Ausstrahlung und Stimme Ekaterina Sannikova als Tatjana trotz ihres gaumig klingenden Timbres in den Höhenlagen, großartig auch Ramona Zaharia als Olga mit vehementer (Erda-)Tiefe. Bogdan Baciu singt und spielt einen noblen, oberflächlichen Onegin, Ovidiu Purcel ist der tiefsinnige dichtende Lenski, der auch zu metallisch-scharfen Tönen fähig ist. Bogdan Taloş ist Fürst Gremin, und man bedauert, dass Tschaikowsky ihm nur die kurze Arie im dritten Akt gegeben hat! Umso länger ist der Applaus für ihn. Über tosenden Beifall für die musikalisch-sängerische Darbietung durften sich alle Beteiligten freuen. Aber auch Regisseur Thalheimer und sein Team quittierten die deutlichen Buhrufe des Publikums mit Lächeln. Was wissen die Leute schon. Außerdem ist es ja möglicher Weise ganz schick, Missfallen von der Masse zu hören.
Gisela Rudolph
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