Rheinische Post-Chefredakteur Sven Gösmann: „Ich kann das Gejammer um die Zeitungskrise nicht mehr hören“

September 5, 2008

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Sven Gösmann

Die Bedeutung des Internet nimmt stetig zu. Zwei Drittel der Deutschen nutzen das Web als Informationsquelle und Tageszeitungen geraten in die Defensive. Die meisten Blätter verlieren an Auflage, Verleger sorgen sich, Redaktionen werden zusammengelegt, Redakteure werden entlassen, es wird rationalisiert, wo es nur eben geht. Das ist der Bundestrend.

Anders die Rheinische Post: Sie hält ihre Auflage stabil, sie schließt keine Redaktionen sondern eröffnet neue. Sie reduziert nicht den Umfang der Zeitung sondern weitet ihn aus. Seit dieser Woche gibt die Zeitung ihren Lesern acht zusätzliche Lokalseiten und verweist auf Seite 1 auf rp-online, ihren Auftritt im Internet. Dazu unten ein Interview mit RP-Chefredakteur Sven Gösmann

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 Neben dem Lokalteil wie bisher veröffentlicht die Rheinische Post …

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… jetzt noch das Buch „Landeshauptstadt Düsseldorf“ mit den wichtigsten Highlights 

Seit dieser Woche bietet die Rheinische Post ihren Lesern in Düsseldorf satte acht Seiten mehr Lokales. Sicherlich eine bundesweit einzigartige Maßnahme. Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?
 

Sven Gösmann: Es ist richtig, wir bieten unseren Lesern mehr Düsseldorf. Doch wir haben nicht stumpf die bedruckte Fläche der Düsseldorf-Seiten ausgeweitet, sondern vielmehr die bestehenden Seiten in das neue Konzept eingebracht. Wir haben zudem einzelne Seitenkonzepte überarbeitet und uns dabei an unseren journalistischen Zielen sowie an den Wünschen der Leser orientiert: Wir wollen mehr Informationstiefe bieten, den Lesern vor allem direkt für ihr Leben verwendbare Hilfestellung leisten. So ist zum Beispiel die neue Seite im Landeshauptstadt-Buch mit Tipps und Terminen sowie der täglichen Gastro-Kritik entstanden. Denn bei allem Interesse an Lokal- und Regionalpolitik, Sport, Wirtschaft und Kultur – 73 Prozent der von uns befragten Düsseldorf gaben als ihre liebste Beschäftigung an „mit Freunden essen gehen“. Wer nicht auf seine Kunden hört, läge verkehrt. Wir aber – das beweisen unsere Zuwächse bei der Abonnementauflage – hören auf unsere Leser, ohne ihnen nach dem Mund zu reden. Wir wollen eine moderne Großstadtzeitung mit eigenen Akzenten machen – so werden wir auch weiterhin thematisch und meinungsstark mal gegen den Strich bürsten und für die grundlegenden Werte eintreten. Gerade in Zeiten allgemeiner Orientierungslosigkeit braucht eine Stadt ein starkes Medium, das dieses tut.

Ein weiteres und noch erstaunlicheres Novum ist: Sie stampfen in Kevelaer, Goch und  Meerbusch neue Lokalteile aus dem Boden – zu einem Zeitpunkt, zu dem andere Zeitungen Redaktionen schließen und Redakteure entlassen. Warum stemmen Sie sich gegen den Trend? 
Sven Gösmann: Weil nur darin unsere Chance liegt. Ich kann das Gejammer von der Zeitungskrise nicht mehr hören und weiß mich da Gott sei Dank mit unserer Verlagsspitze einig: Gute Zeitungen werden immer ihre Käufer finden, nur die schlechten werden es schwer haben. Ein wichtiger Vorteil der Rheinischen Post als einer Regionalzeitung mit bundespolitischem Anspruch ist neben einem hochwertigen Mantel ihre regionale Verwurzelung und ihre hohe Glaubwürdigkeit, gerade was lokale und regionale Informationen angeht. Diesen Vorteil müssen und wollen wir nutzen – das wollen wir in unserer Zeitungsstruktur abbilden. Der Titel unseres Blattstruktur-Konzeptes, das vor einem halben Jahr schon am Niederrhein erfolgreich gestartet wurde, ist dafür programmatisch: „Ganz nah dran.“  
Tageszeitungen verlieren massiv an Auflage. Als eine der wenigen bedeutenden Zeitungen Deutschlands hält die Rheinische Post ihre Auflage stabil. Wie schaffen Sie das?
 

Sven Gösmann: Wir sind stark in der Strategie, siehe oben, aber auch stark im Detail. Tageszeitungen, die im Wettbewerb mit den elektronischen Medien stehen, müssen viel stärker auf die Visualisierung ihrer Inhalte achten, eigene Akzente setzen. Das tun wir. Wir wollen immer gut sein, manchmal anders, vor allem aber: nie langweilig. Das scheint uns oft zu gelingen.

Wie beurteilen Sie die Wichtigkeit der Verzahnung von Rheinische Post und rp-online? 

Sven Gösmann: Unser Onlineportal RP Online ist das mit Abstand erfolgreichste nationale Onlineportal einer deutschen Regionalzeitung. Beide Medienkanäle befruchten einander. Wir lernen viel von Online, Online profitiert von unseren Inhalten. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, das Onlineteam in die Zeitungsredaktion zu holen, sondern wir arbeiten eng an zwei Newsdesks nebeinander. So behalten die jeweiligen Spezialisten ihre Stärken und profitieren gleichzeitig von den Stärken des jeweils anderen Kanals. Unsere Regionalportale übrigens sind in ihrem Wachstum eine besondere Erfolgsgeschichte.

Nur BILD, Süddeutsche und FAZ liegen mit ihren Online-Auftritten vor rp-online. Wie wollen Sie sich online behaupten bzw. Ihre Position noch verbessern und die Zahl der Page Impressions (PI’s) von derzeit 51 Mio. monatlich steigern? 
 
Sven Gösmann: Durch gute Inhalte, eine kontinuierliche technische und journalistische Entwicklung, eine intelligente Bewerbung des Auftritts in der Zeitung (wie auf den neuen Lokalseiten). Online ist kein Konkurrent der Zeitung, sondern beide Kanäle ergänzen sich.

Presseinfo der Rheinischen Post zu der Neuausrichtung

Rheinische Post: Wachstum in der Zeitungskrise

August 11, 2009

Putzmunter in der Zeitungskrise: Sven Gösmann (Foto), Chefredakteur der Rheinischen Post, darf heute eine Flasche Schampus köpfen. Die RP, hoch erfolgreich online, hat auch bei der verkauften Druckauflage bundesweit die Nase ganz vorn (auflage-national-II-quartal-print). Während die Auflage im zweiten Quartal 2008 noch 344.519 betrug, stieg sie im zweiten Quartal des laufenden Jahres auf 344.747 (+0,1 %).

Mit diesem geringen Wachstum ist die Rheinische Post gleichwohl die Nr. 1 unter den deutschen regionalen Abo-Zeitungen. Die in einigen Bereichen konkurrierenden Blätter der WAZ-Gruppe gaben dagegen Auflage ab: – 3,2 %.