Macbeth-Premiere: Grauen auf Italienisch

September 12, 2022 by  

Nur schön und ausdrucksstark zu singen reicht auf der Opernbühne schon lange nicht mehr.

Regisseur Michael Thalheimer verlangt von den Akteuren seiner Inszenierung von Giuseppe Verdis „Macbeth“ auch nahezu akrobatisches Geschick mit Schwindelfreiheit. Mit großem Erfolg wurde seine Interpretation des schottischen Königsdramas nach Shakespeare bereits im Duisburger Haus der Rheinoper im Juni zum Ende der vergangenen Spielzeit auf die Bühne gebracht.

Eine Art Halfpipe dominiert das Bild bis zum oberen Bühnenrand (Bühne: Henrik Ahr).  Dort bietet eine Art Galerie ein weiteres Auftrittstableau, von dem die handelnden Personen – ob Chor, ob Solisten – über Haltegriffe hinabklettern und/oder hinabrutschen, um auf dem buchstäblichen (Halfpipe-)Boden der Tatsachen zu landen. Glücklicherweise müssen dabei keine Skater-Künste bewiesen werden….

Die düstere Beleuchtung mit finster-grauem Nebel ist selbstverständlich angemessen für mörderische Intrige auf höchster Politik-Ebene um die Krone. Denn nicht um Liebe geht’s in dem blutigen Drama, sondern um die pure Macht. Die flüstern die Hexen gleich zu Beginn dem skrupelhaften Macbeth (Hrólfur Saemundsson) ein, und als Oberhexe erweist sich Gattin Lady Macbeth (Ewa Plonka). Regisseur Thalheimer verdeutlicht dies durch eine Solo-Hexe (Annette Hörle), die pantomimisch wie eine Schattengestalt oder ein Alter Ego parallel zur Lady agiert.

Es wird gemeuchelt und gemordet bis zum bitteren Ende. Das Blut klebt fest nicht nur an der Lady und ist durch kein Reiben und Waschen zu beseitigen.

Schließlich ist Macbeth zum Schluss kein König, sondern tot. Ebenso wie die Lady, der ihr buchstäblich über Leichen gehender Ehrgeiz letztlich den Verstand und Leben raubt. Auch wenn das Schlussbild den schottischen Adligen Macduff (Eduardo Aladrén) zum König proklamiert, so besteht kein Zweifel: Um das schottische Königreich steht’s schlecht.

Diese blutrünstige Geschichte hat Verdi zwar in angemessen düstere Musik verwandelt, sich aber nicht vor schmissigen Rhythmen und Melodien gescheut. Schließlich illustrieren auch Verzierungen, Läufe und temperamentvolle Dynamik Nöte, Ängste, Wut und Zorn. Grauen auf italienisch eben. Dirigent Antonino Fogliani ist dessen versierter Anwalt am Pult mit den Düsseldorfer Symphonikern im Graben. Fabelhaft die Sänger, beginnend mit dem ausgezeichneten Chor (Leitung: Gerhard Michalski). Hrólfur Saemundsson gibt seinem Macbeth nobles Kavaliersbariton-Timbre. Das passt auch zum eher zögerlich-unsicheren Feldherrn, dessen Königsambitionen ja maßgeblich durch seine Frau geschürt werden. Ewa Plonka hat Kraft, Geläufigkeit und beängstigend leise Töne für die böse Lady als Drahtzieherin der Tragödie. Ganz hoch in der Zuschauergunst stand  Bogdan Taloş, der mit seinem lyrisch-dramatischen Bass den weitsichtigen Macbeth-Kollegen Banco imponierend gestaltete.Viele Bravi aus dem Zuschauerraum also für die Protagonisten, für Chor und Orchester zum gelungenen Spielzeitauftakt.

Gisela Rudolph

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