Sensationelle Dokumentation über die Quandt-Familie – ARD versteckte sie im späten Abendprogramm

Oktober 1, 2007 by  

 

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In seinem Buch „Die Quandts“ hatte Rüdiger Jungbluth bereits die Familiengeschichte recherchiert – Herbert Quandt kam laut ARD-Dokumentation um eine Anklage herum, weil ihn belastende Unterlagen nicht verfügbar waren – Foto: Picture Alliance – dpa

Es ist nicht so, dass man darüber nichts gewußt hätte. Doch die bretthart recherchierte ARD-TV-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ gestern (23:30 Uhr) schickte gleißendes Licht auch in bislang verborgene Winkel des Beziehungshauses zwischen dem Nazi-Regime und der Familie Quandt.

VARTA, die damalige AFA, ein Batteriewerk mit angeschlossenem KZ, in dem Häftlinge unter oft tödlichen Arbeitsbedingungen versklavt wurden, Bündnisse für mehr Profit mit den Herren der Macht und des Todes, ein perfekter Einklang zwischen Quandt und Hitler-Regime, die Basis für ein Milliardenvermögen…

Die Autoren Eric Friedler und Barbara Siebert präsentierten die Ergebnisse ihrer Recherche einem der Anwälte der Nürnberger Prozesse, dem 87-jährigen Benjamin Ferencz. Der sagte, hätten diese Informationen nach dem Krieg vorgelegen, wäre Herbert Quandt angeklagt worden.

Die ARD hat das journalistisch brillante Stück, das über fünf Jahre recherchiert wurde, mit extrem kurzer Ankündigung ins Programm gehoben. Über die Gründe kann man rätseln. War es die Angst vor der milliardenschweren Familie, den BMW-Großaktionären, die möglicherweise Anwälte bemüht hätten? Hier zerbricht sich die  Süddeutsche (Hans-Jürgen Jakobs) den Kopf darüber. Hier Michael Hanfeld im faz.net.

Die gute Nachricht: Am 22. November wird das Stück in einer verlängerten Fassung von 90 Minuten erneut vom NDR-Fernsehen ausgestrahlt. Hier die Pressemitteilung des NDR dazu.

Kommentare

One Response to “Sensationelle Dokumentation über die Quandt-Familie – ARD versteckte sie im späten Abendprogramm”

  1. Erich Gengerke on November 7th, 2008 15:08

    Auszug aus einem offenen Brief an Anette May-Thies, Tochter Harald Quandts.

    Ich kenne das Buch „Die Quandts“ von Rüdiger Jungbluth, als ich Dich Anfang 2008
    besuche. Weil ich Dich als freundlichen, zugewandten und sensiblen Menchen schätze,
    lasse ich „unangenehme“ Themen, die in diesem Buch gründlich recherchiert sind, außen vor, um die Gesprächssituation nicht unnötig zu belasten.

    Auf Deinen Wunsch hin hören wir gemeinsam den Mitschnitt einer Hörfunksendung, die ich gemeinsam mit einem Freund produziert habe.
    Thema ist die „.Soziale Spaltung in Hamburg.“
    In dieser Sendung, die am Freitag vor der Wahl in Hamburg auf Tide UKW 96,0 gelaufen ist, geht es auch um urchristliche und humanistische Positionen in der Gesellschaft, die auf dem Prüfstand stehen, wenn durch Entlassungen die Verelendung einer zunehmenden Zahl von Menschen in Kauf genommen wird, um die Kurse börsennotierter Unternehmen zu pushen.

    Du bist da in Deinem Feedback zu dieser Sendung weniger zurückhaltend, und ich lerne an Dir eine Seite kennen, die so gar nicht zu Deiner Menschenfreundlichkeit passen will.

    Diese Erlebnisse bringen mich dazu, Deine Geschichte noch einmal zu recherchieren und zu googeln, und bei dieser Gelegenheit stosse ich auf den Film „Das Schweigen der Quandts“ von Eric Friedler. Dieser Film ist einfach an mir vorbei gelaufen. Hätte ich ihn schon gekannt, ich weiß nicht, ob ich noch einmal an Deiner Tür geklingelt hätte.

    Als ich diesen Film sehe, bin ich schockiert. Es fällt mir wie Schuppen von den Augen: für die privilegierten Verhältnisse, in denen Du Dich so selbstverstänlich bewegst, haben Menschen mit ihrer Gesundheit und mit ihrem Leben bezahlt. Der Kaffee, den Du mir so freundlich und zuvorkommend in Deinem Hamburger Haus angeboten hast, würde wohl, würdet Du ihn mir heute noch einmal anbieten, in der Tasse kalt werden; ich bekäme ihn nach diesen Eindrücken einfach nicht mehr herunter. Ich glaube
    sogar, ich hätte Schwierigkeiten, Dir in die Augen zu schauen. Ich würde mich vermutlich für Dich schämen.

    Ich habe Dir per sms die Fakten genannt, die mich im Zusammenhang mit Deiner Familiengeschichte besonders schockiert haben, habe Dir
    die Kommentare zum Friedler-Film aus renommierten deutschen Zeitungen per e-mail weitergeleitet.

    Du schreibst, mit der Nazi – Vergangenheit hättest Du selbst genug gearbeitet. Das kann
    ich nicht beurteilen. Ich habe mich während meines Studiums an der Hamburger Universität recht intensiv mit den Geschehnissen im III. Reich befasst. Bei Dir hatte ich nicht so diesen Eindruck; eher schien es mir, als sei Dir dieses Thema lästig.

    Weiter schreibst Du, Du fühltest Dich persönlich in keiner Schuld. Das kann ich gut ver-
    stehen. Wir haben keine Sippenhaft mehr. Niemand kann Dich heutzutae schuldig sprechen für Unrecht, dass diejenigen begangen haben, die Du beerbt hast.

    Nur stellt sich mir die Frage: Wie geht es Dir mit Deinem Erbe? Hast Du nicht neben Rechten auch Pflichten geerbt? Wäre es nicht eine Pflicht, die Opfer und die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung zu bitten für das, was Deine Vorfahren ihnen angetan haben? Und zu fragen, wie Du wieder gut machen könntest; wohl wissend, dass Verletzungen und Schädigungen an Leib und Leben mit Geld nicht wieder gut zu machen sind. Insofern könnte das Angebot eines finanziellen Ausgleiches nur eine Geste des guten Willens sein.

    Du schreibst, wenn ich Dir da schaden wolle, würdest Du Dich eventuell auch juristisch dagegen wehren.

    Dieser Dein Gedanke erscheint mir recht fremd. Kann ich Dir schaden, wenn ich Fakten aus Deiner Familiengeschichte zitiere – mal unterstellt, ich wollte das überhaupt?

    Schadet Rüdiger Jungbluth Dir mit seinem Buch? Empfindest Du das so? Schadet Dir
    Eric Friedler mit seinem Film?

    Mich hat der Film erschüttert. Das könnte ich verstehen, wenn Du sagtest, der Film hätte Dich erschüttert. Das wäre für mich wahrhaftig und authentisch. Aber schaden – das klingt so ungemein zweckmäßig in diesem Kontext. Ein Image-Schaden. vielleicht – möglicherweise verbunden mit Einbußen im Hedgefonds –und Private Equity-Geschäft auf dem US-Markt ? Auch eine Beschädigung des Selbstbildes ist für mich vorstellbar.

    …Juristisch wehren: Was möchtest Du mir damit sagen? Möchtest Du mir ankündigen
    mir schaden zu wollen, wenn ich mich weiter mit diesem Thema befasse – und wenn, wie und weshalb? Möchtest Du, nachdem Du Dein Schweigen zu Deiner Familiengeschichte kurz unterbrochen hast, nun mein Schweigen erzwingen?

    Schaden ist doch beim Aufbau des Familienvermögens über mehrere Generationen hinweg genug angerichtet worden. Schaden haben doch viele erlitten und manchmal auch ihr Leben dabei gelassen.

    (Auf das Millionengeschäft mit der Landmine DM 31 nach dem 2. Weltkrieg möchte ich in diesem Brief gar nicht näher eingehen.)

    Ist es nicht eher die Familie, die sich selbst schädigt, indem sie anderen Schaden zufügt?

    Ist es diese Selbstbeschädigung, die Du spürst, aber nicht zuordnen kannst, weil Du Deine Familie schützen möchtest? Ist es dieser Schatten – diese Schwere, die Dich umtreibt?

    Dafür hätte ich Verständnis. Aber ob Du Deine Geschichte so auf –und durcharbeiten kannst?

    Ich wünsche Dir, dass Du Frieden findest mit Deiner Geschichte glaube aber, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist.

    Verdrängung, Verleugnung und Einschüchterungsversuche werden Dich nicht Ruhe in Dir selbst finden lassen. Da bin ich mir sicher.

    In diesem Sinne alles Gute.