Publizist Ralph Giordano: „Stimmt, niemand hätte die Auszeichnung für Zivilcourage mehr verdient als ich“
Oktober 1, 2007 by osi
Stolz reckt Ralph Giordano die Immendorff-Skulptur in die Höhe – Heine-Kreis-Vorsitzender Karl-Heinz Theisen (rechts) und Dr. Siegmar Rothstein, Mitglied im Heine-Kreis, schauen zu. Foto: Johannes Galert
Die Verleihung des Preises für Zivilcourage an Publizist Ralph Giordano – ein großartiger Abend und eine angemessene Würdigung der Verdienste des Kölners, der mit mehr als 20 Büchern und über 100 Fernsehproduktionen (u.a. „Bertinis“) einer der kreativsten Künstler Nachkriegsdeutschlands ist. Ein Mann, der immer knorrig und unbeugsam war, der nie dem Zeitgeist hinterher jagte oder sich ihm auch nur leicht gebeugt hätte.
Seine Freundin Lea Rosh erinnerte beim Festakt im Schlösschen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten in ihrer Laudatio an den Offenen Brief 1992 an Kanzler Helmut Kohl, in dem Giordano nach den Brandanschlägen von Hoyerswerda schrieb: „Nie wieder werden wir Überlebenden des Holocaust unseren Todfeinden wehrlos gegenübersteheen – niemals.“
Giordano, Blazer, rote Krawatte, den obligaten roten Kaschmirschal um den Hals, wurde gewürdigt von Karl-Heinz Theisen, Chef des Heine-Kreises, von Staatsministerin Hildegard Müller (CDU), Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU), dem stellvertretenden Regierungspräsidenten Jürgen Riesenbeck (SPD) und, ironisch gereimt von Robby Heinersdorf („Theater an der Kö“), der dafür Lachsalven erntete.
Wer von Giordano eine flammende Rede zu einem aktuellen Thema erwartet hatte, sah sich getäuscht. Der Kölner Publizist sprach über das Deutsche und über den Namensgeber des Preises Heinrich Heine, mit dem er in einen fiktiven Dialog eintrat. Giordano über die Auszeichnung:
„Heinrich Heine hat mich mein ganzes geistiges Dasein lang begleitet, vom ersten Zeitpunkt meiner Reflexionsfähigkeit an, und insofern sind dieser Abend und seine Auszeichnung für den Laudandus so etwas wie ein Lebenshöhepunkt.“
Giordano verneigte sich in seiner mit Zitaten gespickten Dankesrede vor dem großen Heinrich Heine, befand aber auch:
„Aber, nach soviel Lob – das Schlimmste, was die Nachwelt Heine antun könnte, wäre ihn als Tugendbold oder hochherzigen Idealisten mißzuverstehen. Es ist ja ein grundsätzlicher Eia-Poppeia-Irrtum, Berühmtheiten für tadelsimmun zu erklären und das Lautere ihres Werkes, die Größe ihrer Kunst auch auf jede Stunde ihres Daseins zu kollektivieren, sie also ständig auf einer Höhe zu wähnen, die sie ins Unwirkliche kolportiert und verfälscht. Oh nein, so ist es nicht und so war es nicht, auch bei Heine. Er war vielmehr ausgestattet mit so ziemlich allen schwächen und Anfälligkeiten, deren sich auch das übrige Menschengeschlecht zu erfreuen und zu rühmen weiß. Heinrich Heine konnte beleidigen, vorsätzlich verletzen, bösartig argumentieren; er wußte zu schwindeln, daß sich die Balken bogen, konnte Ranküne spinnen, auf ehemalige Freunde einschlagen, bis in die Unerträglichkeit eitel sein und – sich dabei immer im Recht wähnend – ein überdimensionaler Narziß“
Ralph Giordano, darf man sagen, war ergriffen von der Auszeichnung, die Jörg Immendorff noch kurz vor seinem Tode für den Preis für Zivilcourage geschaffen hatte. Und er befand, von Bescheidenheit weit entfernt:
„Die Freunde dagegen haben mich auf mannigfache Weise, mündlich, schriftlich, per Telefon oder Post (…) wissen lassen, wie berührt sie sind, wie einverstanden und das immer wieder mit der Devise, daß gerade eine „Auszeichnung für Zivilcourage“ niemand mehr verdient hätte als ich.
Liebe Anwesende, Sie alle, wie sie hier versammelt sind – ich habe jedem von ihnen, aber auch jedem, mit einem einzigen Wort geantwortet: ‚Stimmt!'“
Hier finden Sie ein pdf mit der vollständigen Rede Ralph Giordanos.
Hier die Laudatio von Lea Rosh. Hinweis: Später stellen wir noch ein Video dazu ein.
Ralph Giordano überläßt Wolfgang Osinski (Düsseldorf Blog) sein Manuskript, das Sie oben herunterladen können und das außerdem vom Heine-Kreis gedruckt wird, ein ausdrücklicher Wunsch des Schriftstellers.
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