Deutschlands Schoko-Präsident in der WiWo: „Brüssel behandelt uns wie Konsumtrottel“
Februar 24, 2007 by osi
Dr. Dietmar Kendziur
„… und für andere die längste Praline der Welt“ – ACHTUNG: Fragen Sie vor dem Genuss Ihren Arzt oder Apotheker.“ In diese Richtung geht der neue Regulierungswahn der Brüsseler EUrokraten. Nachdem die Süßwarenindustrie bereits halbwegs die EU-Kröte geschluckt hat, Kinder nicht mehr in der Werbung anzusprechen, droht den 270 Unternehmen, die in Deutschland den Schleckermäuler-Bedarf bedienen, jetzt eine hoch bürokratische Auszeichnungspflicht. Die Düsseldorfer Wirtschaftswoche (WiWo) veröffentlichte heute zum neuen Verbraucher-Entmündigungsvorstoß aus Brüssel ein Exklusiv-Interview mit Dr. Dietmar Kendziur, dem Ferrero-Geschäftsführer und Vorsitzenden des Bundesverbandes der Süßwarenindustrie.
Kendziur stellt in dem Interview die Frage, warum Politiker, „die das Übergewicht bei Kindern bekämpfen wollen, sich mit Süßwaren und nicht mit Grundnahrungsmitteln befassen, die die Hauptenergielieferanten sind?“
Wenn es zutrifft, was Kendziur in dem Interview sagt, dass Süßigkeiten und Snacks nur mit sieben Prozent zur Ernährung beitragen, hat er natürlich Recht. Was müßte man noch alles verbieten: McDonalds und Burger King, Pommes Frites von McCain, Rügenwälder Teewurst und Schweinshaxen sowie Herstellung und Vertrieb von Bratwurst und sicher würden große Kontingente aus den Wursttheken der Metzger verschwinden müssen.
„Haribo macht Kinder froh“ – künftig verboten?
Enthält ein als fettarm beworbenes Produkt viel Zucker, muss dies künftig plakativ auf der Packung vermerkt sein. Ab 2010 sollen nur noch solche Produktaussagen erlaubt sein, die in einer Positivliste der EU stehen. Davon abweichende Formulierungen müssen sich die Lebensmittelhersteller dann in einem Einzelzulassungs- und Registrierungsverfahren genehmigen lassen. Kendziur: „Selbst wissenschaftlich belegte Gesundheitsangaben werden dann künftig von Brüssel verboten sein.“ Auch wenn die Verbraucherzentrale die EU-Regularien so richtig gut findet, befürchtet Kendziur bürokratischen Wahnsinn und Arbeitsplatz-Abbau.
Transparenz für Verbraucher und EU-Harmonisierung sind prinzipiell zu begrüßen. Die Entmündigung des Verbrauchers liegt jedoch darin, dass die Anwendung vorhandener Grunderkenntnisse (etwa: zu viel Schokolade ist ungesund, macht dick und führt zu Verstopfungen) uns nicht mehr zugetraut wird. Dass die Erarbeitung der Positivliste und die Kontrolle der Einhaltung sowie die Bearbeitung von Sonderanträgen Arbeitsplätze schafft, ist auch klar. Nur: Es sind keine produktiven Arbeitsplätze und sie gehen zu Lasten der Süßwarenindustrie, wo Kendziur nachvollziehbar eine Überdehnung der Möglichkeiten der überwiegend kleinen Betriebe sieht.
Kendziur nennt ein konkretes Beispiel: „Wer heute zum Beispiel einen ballaststoffreichen Vollkornkeks herstellt, führt dem Produkt unter relativ hohem Kostenaufwand Ballaststoffe zu. Wenn er künftig wegen des Zucker- oder Fettgehalts den eigentlichen Produktvorteil nicht mehr herausstellen darf, geht der Absatz zurück. Das Produkt ist am Ende und vielleicht damit der ganze Betrieb. Viele Lebensmittelhersteller werden Werbestrategien und Produktkonzeptionen überarbeiten müssen. Der Aufwand ist insbesondere für mittelständische Produzenten zu hoch. Und der angeblich mündige Verbraucher wird behandelt wie der letzte Konsumtrottel.“
Das Empörende an der EU-Gesetzgebung ist: Betroffene werden nicht wie Bürger behandelt und eingebunden, wie dies beispielhaft auf lokaler Ebene geschieht. Sie können sich erst wehren, wenn die Regeln gelten. Kendziur: „Wer etwa wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung verurteilt wird, kann gegen das Urteil vorgehen bis hin zum Europäischen Gerichtshof. Und das wird so kommen.“
Info: google liefert 2.530.000 Einträge zum Suchbegriff „Monster EU“. Leserbriefe an den Autor: harald.schumacher@wiwo.de. Hier das komplette Interview in der Wirtschaftswoche Online
Nachtrag, 25.2.: Die Züricher WELTWOCHE hat einen schockierenden Bericht des konservativen britischen EU-Abgeordneten Daniel Hannan über die Verpulverung von EU-Geldern veröffentlicht.
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