Kirmes mit Zuckerwatte, Feuerwerk und Wahrsagerinnen
Juli 22, 2012 by osi
Seit Tagen dreht sich in Düsseldorf alles nur noch um die Kirmes und fast jede Nachricht auf meiner Mailbox endete mit dem Satz:
„Süße, falls Du uns suchst, wir sind ab 20 Uhr im Füchschenzelt!“
„Ja, arbeiten meine Weiber denn gar nicht mehr? Wie kann man denn jeden Abend im Schlösser oder Füchschen sein?“
So ging es so ziemlich die ganze letzte Woche.
Ich gebe zu, ich bin nicht der große Kirmesgänger aber diesmal gab es gleich mehrere Gründe, um zu den Rheinwiesen zu gehen:
1) meine Freundinnen treffen
2) Karussells auf Geschwindigkeit testen
3) Und herausfinden ob eine Wahrsagerin auch „wahr“ sagen kann.
4) Und natürlich das sensationelle Feuerwerk zu erleben.
Kirmes, ich komme und das große Feuerwerk ist ja nun wirklich noch ein Grund mehr, mir die bunten Lichter nicht nur von der anderen Rheinseite anzusehen.
Ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit in Berlin.
Ich habe es geliebt, das Deutsch-Amerikanische Volksfest.
Ich bin mit meinen Eltern gegangen und mein Vater war jedes Mal fast pleite nach unserem Kirmesbesuch.
Keiner hatte mehr Ausdauer bei dem Thema „ schneller und höher“, da war ich unschlagbar.
Oft blieb ich in der Raupe gleich sitzen und fuhr drei Mal hintereinander.
Das fanden meine Eltern gar nicht so schlecht, denn so hatten sie ca 9 Minuten „Bierpause“ bevor ich zum nächsten Geschwindigkeitsrausch drängte.
Mit Aufregung fieberte ich damals meiner Körpergröße von 1,40 m entgegen. Das war das Mindestmaß um Einlass in die große Achterbahn zu bekommen.
Konnte man das dann in der Schule berichten, war man der Held!
Ich werde nie vergessen, wie ich mit nur 1.30 m meinen Hals so gereckt habe, dass ich geschummelte 1.40m erreichte. Meine erste Achterbahnfahrt war dann unvergesslich.
Heute kann man mich damit jagen und seit Jahren habe ich überschaubaren Spaß bei der Geschwindigkeit in den kleinen Gondeln.
Es wurde also mal wieder Zeit, einen Kirmesrundgang zu wagen.
Doch kaum betrete ich die Rheinwiesen, wird mir ein unvergessliches Abenteuer versprochen:
„Tauchen Sie ein in interaktive Geschichte mit Überraschungsmomenten für alle Sinne“, schreit es mir aus einem Lautsprecher entgegen.
Die 6 D Game Show, verspricht mir eine Reise mit der Mission, das Internet zu retten.
Menschen drängen sich zu dem Eingang und meine Lust das Internet zu löschen ist irgendwie größer.
Da ich kein Spielverderber sein möchte gehe ich einfach schnell weiter.
Ich spüre kein Verlangen im World Wide Web unterwegs zu sein und mit einigen angetrunken Mitmenschen die Welt zu verändern.
Ich entdecke Zuckerwatte. Es war als Fünfjährige meine Lieblingsspeise auf jeder Kirmes.
Mein Geschmack muss sich in den Jahren anscheinend drastisch geändert haben…
Nun wird es aber Zeit für meinen ersten Test.
Die “wilde Maus.“ Sie sieht harmlos aus und erinnert mich an eine Achterbahn in mini Ausgabe. Freudig besteige ich den kleinen Wagen.
Doch schon sehr schnell merke ich, dass ich mich getäuscht habe und die wilde Maus wird zu einer Speedy Gonzales!
Arriba, Arriba……Alle schreien und rückartig stürzt sich die wilde Maus in jede Kurve und ich bereue die Reibekuchen die ich mir grad noch gegönnt habe.
Die Fahrt erreicht ihren Höhepunkt, und als wir in Höchstgeschwindigkeit in einem riesigen Katzenmaul verschwinden ahne ich Schlimmes.
In diesem dunklen Katzenschlund hat Speedy vor, uns in die Tiefe zu stürzen und genau das passiert dann auch.
Wie erstarrt sitze ich da, umklammere die Vordergriffe und als ich gerade erstaunt bemerke, dass wir überlebt haben wird das Erinnerungsfoto gemacht.
Das Geld spare ich mir und kaufe es nicht.
Statt dessen kaufe ich mir das nächste Ticket.
Die Konga Schaukel! In 45 m Höhe habe ich bestimmt eine tolle Sicht über das ganze Kirmesgelände.
Geldbörsen und Handys bitte ablegen! Ein Warnschild untersagt Menschen mit einem Bandscheibenschaden, Herzproblemen, einer Körpergröße unter 1.40m oder über 1.96m die Höllenfahrt in der Konga Schaukel.
Trotzdem steige ich ein und ich schwöre Ihnen, es waren die längsten und schrecklichsten drei Minuten meines Lebens.
Ich war mir sicher, meinen aktuellen Karusselltest der Geschwindigkeiten umgehend einzustellen, wenn ich das hier ohne einen Halswirbelschaden überstehe.
Vier Minuten später war er besiegelt, mein Test Abbruch, und eines steht auch fest:
„Das waren meine letzten Karussellfahrten“ und im Anfall totaler Romantik würde ich bestimmt noch einmal ein Riesenrad oder ein Kettenkarussell besteigen, mehr jedoch nicht.
Es war also Zeit für mein zweites Testvorhaben:
„Wahrsagerinnen!“
„ Es gibt drei Wahrsagerinnen auf dieser Kirmes!“ sagt die freundliche Blondine an der Kirmesinfo.“ Kommen Sie mal zurück und sagen Sie mir wie das so war!“ sagt sie lachend als ich weiter gehe.
Ich mache mich auf den Weg zum ersten Wohnwagen.
Ich halte nicht viel von Wahrsagerinnen, denn schon oft habe ich erlebt, wie sie Menschen die labil sind beeinflussen können.
In meinem Freundeskreis ist das grad erst passiert.
Andreas hat einer Wahrsagerin mehr geglaubt als seiner Freundin.
Das Ergebnis war unschön und etwas habe ich an Andreas‘ Verstand gezweifelt.
Nun wage ich selber einen Test. Direkt neben dem Schießstand entdecke ich den Wohnwagen von Medusa!
“Wissen ist Macht“ das Leben im “Handumdrehen“
Im Wohnwagen sitzt eine Frau im Paillettenoberteil. Sie lacht freundlich, ich nehme Platz.
Es ist eine nette Atmosphäre, Medusa wirkt freundlich.
„Eine Hand 15€, beide Hände 20€“ lautet ihr Angebot und ich entscheide mich für beide Hände.
„Wenn schon, denn schon!“ sage ich voller Elan, mit dem Ziel Medusa mal so richtig auszufragen.
Meine Handlinien und somit mein Schicksal lege ich Medusas lustigen Augen vor.
Medusa sagt mir ein langes Leben voraus, wenn ich auf meine Gesundheit achte.
Klingt logisch.
Sie sagt ich sei ein selbstbewusster Mensch und ich frage mich in welcher Linie es steht oder ob es eher ihre Menschenkenntnis ist, die sie zu dieser Aussage kommen lässt. Ich höre weiter zu.
Sie sagt, es gäbe einen Mann der sich nicht entscheiden kann und ich denke, dass sie klug ist, dass können Männer ja oft nicht.
Irgendwie hat Medusa aber noch nichts gesagt, was nicht auch auf meine Freundin Chris passen könnte.
Medusa meint ich solle mal auf mein Herz hören und erst dann würde ich sehen, wer das ist.
Klingt irgendwie logisch, wenn’s denn so ist.
Nur ist mir das irgendwie auch noch nicht genau genug.
Sie fragt mich, ob ich in einer Beziehung bin.
Kurz überlege ich ob ich schwindeln soll, nur dann verfälscht es ja das Ergebnis und somit meinen Test.
„Nein“ sage ich und beobachte sie genau.
„Ja“, sie nickt, aber sie sieht einen Mann.
Mhhh, denke ich, ich sehe mindestens 10 wenn ich aus dem Wohnwagen gucke.
Es macht mir Spaß Medusa anzusehen. Sie hat lange Ohrringe mit bunten Federn.
Irgendwie ist sie ein guter Typ und wenn ich einen Film mit einer modernen Wahrsagerin besetzen müsste, ich würde sie nehmen.
Die Sonne blinzelt in den Wohnwagen und dezent zieht sie die kleine Sichtsperre mehr zu, um uns vor neugierigen Blicken zu schützen.
Medusa hat ein gutes Feingefühl, das gefällt mir.
Sie sieht mich an und sagt:
„Sie wollen gar nicht weg ziehen, aber sie werden es tun!“
„Hoppala“ denke ich, nun wird’s spannend.
„Es hat private Gründe und er ist schon da!“ sagt sie lächelnd.
„Medusa, wo soll er denn sein?“ da frage ich doch besser mal vorsichtshalber nach.
Medusa weiß das aber nicht und es beruhigt mich dann doch wieder, dass sie mir seine Adresse nicht nennen kann.
„Haben Sie noch eine Frage?“ will sie wissen und ich überlege kurz.
Fragen fällt mir schwer, wenn ich nicht an die Antwort glaube.
„Ja, Medusa – tragen Sie privat andere Sachen? Haben Sie Familie?
Kennen Sie die Verantwortung die sie haben?“
Medusa bleibt sehr ruhig, ihre Augen blitzen vor Lebensfreude und sie antwortet :
„Natürlich habe ich auch einen Jogginganzug. Dies hier ist mein Arbeitsumfeld und ich habe 4 Kinder!“
Sie erzählt mir einiges aus Ihrem Leben, von Ihrem Urlaub und sie ist sich bewusst wie viele Menschen verzweifelt eine Wahrsagerin aufsuchen und von ihr eine Entscheidung oder Bestätigung wollen. Sie liest nur in den Händen und dort stehen keine Entscheidungen.
Ihre Mutter war schon Wahrsagerin. Sie lacht und sagt: “Sehen Sie, nun erzähle ich Ihnen was von mir!
„Ihre Handlinien sind sehr klar, zeigen Kreativität und viel Kopf – nur Ihr Herz…..“ Sie blickt mich etwas fragend an.
Ich schüttle den Kopf.
„Machen Sie sich mal darum keine Gedanken Medusa, der Richtige wird mich schon erobern!“
Wir gucken uns kurz noch einmal an und dann gehe ich.
Medusa ist ein liebenswerter Mensch mit guter Menschenkenntnis.
Vor dem Zelt grölen mir die ersten, durch Alkohol mutig gewordene Typen den Hüttensong „Schatzi schenk mir ein Foto“ ins Ohr und finden sich richtig klasse dabei.
Mickie Krause singt das bedeutend besser denke ich, als mich eine junge Frau anspricht:
„Hand lesen?“ Fragt sie.
Perfekt denke ich.
Natürlich ziere ich mich noch etwas, denn niemand sagt sofort “ja“
Schließlich tue ich so, als ob ich überredet bin und sie ist sichtbar stolz auf sich.
Wir stellen uns zur Seite und sie nimmt meine Hand und dreht und wendet sie, ich vermute sie ist sich noch nicht sicher, wo oben und wo unten ist.
Schließlich drückt sie auf meiner Hand rum und ich muss mir das Lachen verkneifen, als ich überlege wer ihr das wohl so gezeigt hat.
Sie merkt es und fragt “Lachen warum?“ Fast fühle ich mich ertappt, schwindle einfach und erkläre ihr, das ich so kitzlig bin.
Das verschafft ihr wieder Selbstbewusstsein weiter zu machen und sie legt los:
“Du hast reiche Mann“ sie guckt mich voller Erwartung an.
Ich sage nichts, das halte ich für klug. Das jedoch scheint sie nicht gewohnt zu sein.
“Hast Du?“ fragt sie nun unsicher.
“Nein“ sage ich ernst und mehr sage ich wieder nicht.
“Du hast arme Mann?“ fragt sie ungläubig.
“Nein“ sage ich wieder. Sie fragt ungeduldig :„Hast Du reiche Freund?“
Wieder bekommt sie ein “NEIN“
Sie versteht anscheinend meine Handlinien männertechnisch nicht gut zu deuten und sagt dann sichtlich verunsichert:“ Große Überraschung wartet auf Dich!“
Ich bleibe weiter wortkarg.
„Große Überraschung wird kommen!“ Sie guckt mich an und versucht Freude in meinem Gesicht zu lesen und ich habe den Eindruck, dass sie stolz ist auf ihre ausgedachte frohe Botschaft. “Was wird es denn sein?“ frage ich mal trocken nach!
Sie sieht nur die große Überraschung die Freude bringt, aber auch Trennung von meinem Mann.
Ich erinnere sie noch einmal kurz daran, dass ich keinen Mann habe.
„Aber er kommt und dann kommt auch Trennung!“ Sie redet sich um Kopf und Kragen.
„Keine Sorge, Trennung nicht so schlimm“ und als sie mir gerade was von einer noch größeren Überraschung erzählen will, breche ich mal das Gespräch ab.
„Ist nicht so gut gelaufen“ sage ich ihr und frage nach dem Preis.
Warum ich den Quatsch bezahle, werden Sie sich jetzt fragen ?
Ich habe mich darauf eingelassen also zahle ich es auch.
Nur weil sie sich noch nicht so selbstbewusst Geschichten ausdenken kann möchte ich sie nicht bestrafen.
Sie macht mir dann einen Sonderpreis, weil meine Handlinien “nicht so gut“ zu lesen sind.
Ich gehe weiter und muss echt lachen.
Was für ein Projekt habe ich mir da nur ausgedacht.
Beim Füchschenzelt komme ich kurz in die Versuchung eine längere Pause einzulegen, denn dort versammelt sich bereits halb Düsseldorf. Meine Weiber stehen in einer lustigen Truppe zusammen.
Doch ich will noch die anderen zwei Wohnwagen abklappern.
Um es an dieser Stelle mal abzukürzen: In dem zweiten Caravan erwartet mich eine energische Frau die gleich loslegt und mich fragt, was ich genau wissen will.
„Nichts genaues“ sie soll einfach nur mal so gucken was es so gibt.
Sie fragt mich direkt nach meinem Beruf, Familienstand – kommt dann gleich zur Sache und erzählt mir über mein langes Leben, welches mir in die Wiege gelegt wurde ( voraus gesetzt es kommt nichts dazwischen, werfe ich mutig ein ) von einem Mann den ich kennen lernen werde ( oh, doch, ist ja unfassbar, denke ich) und das ich ein glücklicher Mensch bin ( sieh mal an, woher weiß sie das nur )
Dabei stützt Sie die ganze Zeit ihr Kinn auf der Hand ab und Ihre Körpersprache zeigt mir, dass sie nach den vielen Kirmestagen erschöpft ist.
Sie redet noch etwas über Dinge die nicht stimmen , ich lasse sie reden und ich hinterfrage nichts. Ich bin halt kein gutes Medium für dieses Gewerbe.
Ich zahle wieder und belohne mich mit belgischen Pommes XXL mit Majo. Futternd schlage ich mich durch die Menschenmasse und stehe kurze Zeit später vor der nächsten Seherin, die plakativ verspricht alle Fragen zu klären und sogar über Dritte einiges zu sagen weiß.
Das ärgert mich, ehrlich gesagt, und wissen Sie was?
Ich schenke mir den letzten Versuch und sage statt dessen, was ich denke.
Dass ich es schon immer gehasst habe über Menschen zu sprechen die nicht anwesend sind und vor allem wenn man sie noch nicht einmal kennt.
“Wissen Sie eigentlich, welches Unheil Sie anrichten können!“ frage ich sie ziemlich direkt und dabei gucke ich nicht sehr freundlich.
Und wenn Sie jetzt denken, das hätte gesessen, dann täuschen Sie sich!
Die Seherin wirft mit spitzen Ton ein :“ Es gibt einen Mann, der Sie anlügt!“
Vermutlich bleibt an dieser Stelle fast jede Frau stehen und will es wissen.
Ich nicht. Auf Anhieb fällt mir der Bäcker ein, der behauptet hat, dass das Mandelhörnchen von heute ist.
Ich schließe den Test ab mit dem Ergebnis:
Bitte nicht alles glauben was Seherinnen sehen.
Nehmen Sie es als Unterhaltung und ich warne Sie vor Seherinnen, die über Dritte Details zu wissen glauben.
Lassen Sie sich niemals vergiften von Vermutungen.
Sprechenden Menschen kann geholfen werden.
Reden Sie alle mehr miteinander, statt übereinander.
Machen Sie niemals eine Entscheidung davon abhängig was Fremde Ihnen erzählen
Hören Sie auf Ihren Verstand, fühlen Sie Ihr Herz, vertrauen Sie Ihrem Bauch.
Sie suchen das Glück?
Das Glück liegt in Kleinigkeiten…
Am Himmel über Düsseldorf beginnt ein gewaltiges Feuerwerk mit Gänsehaut Garantie.
Ich stehe auf der Rheinkniebrücke und mein Kirmestag geht zu Ende.
Feuerwerk ist für mich was Besonderes, ein Moment wo ich die Zeit anhalten möchte.
Neben mir steht ein kleiner Junge. Er nimmt meine Hand.
„Wir machen eine Menschenkette“ ruft er mir zu. “Mach mit.“
Was für eine süße Idee denke ich und nehme die Hand von dem Mädchen neben mir.
Rote, grüne und weiße Raketen leuchten am Himmel und ein Glitzerregen fällt wie Sternschnuppen in den Rhein…
Und mit dem Glauben es wären Sternschnuppen, schicke ich einen Wunsch auf Reisen…
Mein Tipp für diese Woche?
Nach Feierabend raus in die Abendsonne und wenn es dunkel wird, den Abend im Frankenheim open air Kino ausklingen lassen.
ACHTUNG : Ziemlich romantische Kulisse
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