Achtung, hier poltert die Braut!

Juli 5, 2012 by  

Junggesellenabschiede kennen wir alle. Unsere eigenen, die von den besten Freunden, oder wir kennen sie, weil diese Veranstaltungen gerne das Düsseldorfer Straßenbild prägen und die Altstadt dann berechtigt den Namen „Längste Theke der Welt“ trägt.

Oft ist das dann an Peinlichkeit kaum zu übertreffen. Man sieht eine stark alkoholisierte Braut im billigen Hasenkostüm durch die Altstadt springen, mit einem schwarzen Schleier auf dem Kopf (diesen Zusammenhang habe ich noch nie verstanden) und 10 halbbetrunkene Freundinnen kichernd hinterher. Um den Hals hängen an bunten Bändern viele kleine Underberg Flaschen und gegen 17 Uhr kann kaum noch eine der Teilnehmerinnen einen klaren Satz sprechen, oder gar unfallfrei ein Bier trinken.

Junggesellenabschiede von Kerlen sind überhaupt nicht anders. Alle tragen das gleiche T Shirt mit der Aufschrift: “Lebenslang für Karsten“ und Karsten hat auch noch eine fette Kugel am Bein und als krönender Abschluss endet diese Party dann gerne auch mal umsatzsteigernd in irgendwelchen Clubs am Düsseldorfs Randgebiet. Mit einem riesigen Kater, einigen peinlichen Fotos mehr im Handy und vielen Euros weniger in der Tasche ist das dann am nächsten Tag auch schnell eine Aktion im Leben aller Teilnehmer, über die man nicht mehr gerne und schon gar nicht offiziell reden möchte.

Es geht auch anders und auch viel, viel  schöner und genau das habe ich letztes Wochenende erleben können, denn hier war der absolute Grundgedanke „Wir alle wollen unsere Freundin liebevoll überraschen und gemeinsam Zeit miteinander verbringen.“ 23 Freundinnen schmieden also heimlich einen Plan um Anna Maria, die zukünftige Braut,  zu überraschen, denn klar ist: „Anna Maria darf nicht wissen,  wann es los geht und schon gar nicht wohin!“. Jeder, der Anna Maria kennt weiß, dass dies verdammt schwer ist.Morgens um 8 Uhr ist die Welt noch in Ordnung – und erst recht im traumhaften Österreich. Während die Sonne gerade den Tag erwärmt steht  unsere Anna Maria ahnungslos im Bad, als die Tür aufspringt und ein Teil der Freundinnen – natürlich traditionell im Dirndl – im Bad erscheinen. Ein liebevoller Überfall: „Es ist soweit Freundin, wir holen Dich zum Poltern ab!“. Der andere Teil der Mädels steht bereits am Kleiderschrank und packt kräftig ein: Bunte Sachen, Sandalen, das Dirndl …

“Alles was fehlt ist egal, wir haben alle genug Sachen dabei!“ sagt Lisa lachend. Und davon kann man ausgehen, wenn 24 Frauen auf Reise gehen … 🙂

Und so beginnt ein liebevolles Poltern. Der Bus vollgeladen mit gutgelaunten Polterfreundinnen fährt zu einem märchenhaften See, wo der Rest der „ Weiber“ bereits wartet und bei 25 Grad wird in Österreich ein See mit einem Schiff und 24 Freundinnen, zu einer fröhlichen Partymeile. „Weißt du noch“-Geschichten beherrschen den Nachmittag und als die Sonne im See versinkt hört man noch immer viele Frauenstimmen durcheinander reden und das eine oder andere laute Lachen schallt über den See während die Sonne sich zum Schlafen legt.  Irgendwann werden selbst 24 Frauen müde vom vielen Reden und Mario Barth hätte an diesem Tag unendlich viel über Frauen lernen können (… und vermutlich ein Vermögen dafür ausgegeben, wenn er heimlich Zaungast hätte sein dürfen. Durfte er aber nicht!).

So, und wenn Sie jetzt sagen: “Och, nicht so spannend. Im Dirndl mit 24 Freundinnen auf dem See…“, dann sollten Sie jetzt keinesfalls aufhören zu lesen oder glauben Sie etwa wirklich, die Sandalen wurden für das Boot eingepackt? 😉

Am nächsten Morgen ging die Polterreise weiter… „Steh auf Schwesterherz“ trällert Lisa um 5.30 Uhr der ziemlich müden Anna Maria ins Ohr. „Wir müssen los, nach München zum Flughafen. Das Poltern geht weiter, auf Ibiza!“. Anna Marias Augen wurden riesengroß und nachdem Lisa ungefähr 40 mal bestätigt hat, dass es stimmt und der Flieger mit Sicherheit nicht warten wird, springt nun auch Anna Maria aus dem Bett. “Ibiza? Ja ich will!“ und in wenigen Minuten stand sie abfahrtbereit im Dirndl samt Sandalen am kleinen Bus.

Alle waren wieder traditionell im Dirndl. Einzig an den Schuhen konnte man das Ziel erahnen: Sandalen mit Strass oder lustige Flip Flops! 24 Frauen jedoch terminlich unter einen Hut zu bekommen ist gar nicht so einfach und an dieser Stelle hieß es deswegen Abschied nehmen von einem Teil der „Weiber“. Und so machten sich immerhin zehn müde Hühner voller Vorfreude auf dem Weg zur „Hippie Insel“.

Zweieinhalb Stunden Flug und vermutlich hat noch nie eines der neun Dirndl so gut im Flieger geschlafen. Die eigentlich viel zu engen Plätze wurden zu gefühlten Luxusliegen. “Going to Ibiza“ rufend erntete unsere lustige Reisegruppe am Flughafen auf Ibiza bei 30 Grad mehr Blicke als jedes durchgeknallte Insel Outfit zuvor.

Schnell wurde das Dirndl schließlich gegen einen Bikini getauscht und am Beachclub gab es zur Begrüßung die wohl beste Paella der Insel. Zehn Frauen an einem Tisch, neben uns acht Männer und raten Sie mal welcher Tisch kein Wort gesprochen hat? Richtig, wir waren es  NICHT!

Es gibt das Klischee der weiblichen Quasselstrippen und eher weniger gesprächigen Männer. Ich denke, hier hat die Wissenschaft mit der Forschung tatsächlich Recht behalten, wenn sie behauptet, die Frau gebe täglich 30.000 Worte von sich, während sich das „Starke Geschlecht“ mit viel Glück mit etwa 7000 Worten begnügt (natürlich verringert sich diese Zahl im Laufe der Ehejahre noch erheblich). Es soll sie aber dennoch geben, die männlichen „Vielsprecher“! Sie kommen angeblich auf sagenhafte 20.000 Worte! An unserem Nebentisch saß jedenfalls keiner der Gattung “vielsprechender Mann“ (nicht zu verwechseln mit „vielversprechend“ J).

Ich habe mal gelesen, dass Frauen trotz nachweislich kleinerem Gehirn, im Sprachzentrum elf Prozent mehr Zellen haben als Männer. Diesen elf Prozent ließen wir jedenfalls im Beachclub freien Lauf und als wir dann am Abend drei Taxis zum Strand buchen wollten, mussten wir auch feststellen, dass – egal ob weiblich oder männlich – die Taxifahrer Ibizas  sich – dank EM-Endspiel und Titelverteidigung – alle einig waren, keinen Umsatz mehr machen zu wollen und verbleibende Gehirnzellen nur noch zum Fußballgucken genutzt wurden.

Es wäre also wahrscheinlicher gewesen, von einem nicht vorhandenen wilden Löwen gefressen zu werden, als ein Taxi zu bekommen. So also erlebten wir jedes Tor der Spanier durch einen Böllerschlag, während wir über Sandwege, durch Pinienwälder und menschenleere Straßen Richtung Hotel marschierten. Das Spiel „Ich packe meinen Koffer und packe hinein…“ kennen Sie doch bestimmt noch aus der Schulzeit oder vom Kindergeburtstag, oder? Genau damit vertrieben wir uns die Zeit und jede von uns war sichtlich bemüht was einzupacken, was sich keiner auch nur ansatzweise merken konnte und so befand sich in unseren virtuellen Koffer schnell ein Zementsack und eine Multiplikationsmaschine …

Nach „gerademal“ drei Stunden zu Fuß waren wir dann endlich im Hotel und ich kann Ihnen versichern, auch der schönste Flip Flop hinterlässt sichtbare Spuren zwischen den Zehen! Gut, dass wir Frauen immer genug Schuhe dabei haben. Den Sonnenuntergang im Cafe del Mar haben wir verpasst, aber wir kamen noch rechtzeitig für den Live-Auftritt von Sting beim Musikfestival der Insel.

Und Sting mit „Fields of Gold“ sorgt noch immer für Gänsehaut – zumindest bei mir. (Hier der Vollständigkeit wegen für alle der verpasste Sonnenuntergang mit Romantikgarantie

http://www.youtube.com/watch?v=g4K9snqk7g4&feature=fvst)

Neuer Tag, neues Glück! Und natürlich muss auch bei jedem noch so zivilisierten Junggesellinnenabschied kräftig gefeiert werden. Und das taten wir am Nassau Beach Club – den ganzen Tag lang! Unsere Anna Maria musste allerdings nicht im Hasenkostüm am Strand lang laufen und es wurden auch keine „Shots“ um die Wette getrunken, oder Etiketten aus männlichen Badehosen geschnitten.

Wir ließen es uns gut gehen, lümmelten auf großen Betten am Strand mit Sushi und Lounge Music, beobachteten den Lifeguard beim Shirt-Wechsel und ließen die Welt „mal Welt“ sein. Kurzum, der Nassau Beach Club wurde zu “Anna Marias Polter Chill Out Zone“.  Nur ein Ritual musste noch erledigt werden und alle, die diesen Blog regelmäßig lesen wissen, ich bin ein Fan von Ritualen – besonders in Beziehungen!

Anna Maria musste alle Männernamen auf einen Zettel schreiben, die mal ihr Leben oder ihr Herz gekreuzt haben. Dieser wurde dann in eine Flasche gesteckt und wir alle haben zugesehen, wie diese Flaschenpost ins Meer geworfen wurde. Das war der Moment, in dem wir alle nicht mehr gesprochen haben und vielleicht jeder für sich – in Gedanken – so eine Flasche ins Meer warf, um eine Botschaft los zu werden, oder nie gesagte Worte auf die Reise zu schicken. Das Meer hat die Flaschenpost sofort aufgenommen und so entfernte sie sich samt Namensliste – auf den Wellen wippend – langsam aus Anna Marias Leben. Es tut gut, sich von vergangenen Dingen zu lösen, sich frei zu machen und auch loslassen zu können. Auch wenn es nur Gedanken sind, die man auf eine Reise schickt.

Ich weiß heute, wie wichtig solche Freundinnen-Ausflüge sind und ich weiß auch, dass genau all diese Freundinnen die mit Anna Maria gepoltert haben – egal ob am See oder am Meer – da sein werden, wenn mal Wolken aufziehen am sogenannten Ehehimmel. Es wird sie geben, diese Wolken, aber es gibt auch diese Freundinnen mit dem “Wolkenschieber“.

Am Ende dieses „Freundinnen Ausflugs“ bleibt ein neu aufgestellter Rekord in Sachen Redseligkeit (30.000 Worte wurden um ein Vielfaches überschritten), es gab keine peinlichen Fotos im Handy und auch keinen „Kater“. Wir haben einfach nur unsere Freundschaft gefestigt und eine total glückliche Anna Maria wieder zu Hause abgeliefert.

Ihre letzten Worte bei unserer Verabschiedung habe ich noch im Ohr: „Ich bin im Herzen so dankbar, jede einzelne von Euch zur Freundin zu haben!“. Wir alle hatten Tränen in den Augen. Es waren Tränen des Glücks. „Anna Maria, auch wir sind glücklich, dass es Dich in unserem Leben gibt!“.

Was ich am Wochenende so anstelle?

– Sting hören und Gänsehaut bekommen.

– meinen Rasen mähen!

– Am Freitag in die neue „Prado Bar“ im K21 schauen.

– um 0 Uhr ins Open Air Kino im Strandbad Lörick gehen (eines der wohl schönsten Open Air Kinos in Düsseldorf und Umgebung)!

– und am Samstag? Boxen gucken, ist doch klar!

Kommentare