Siri und andere Gefühlsausbrüche
Juni 23, 2012 by osi
Dank „Siri“ ist es ganz einfach, diese Kolumne zu schreiben. Ich diktiere einfach den Text in mein neues iPhone 4S und „ES“ erledigt den Rest… sie scheibt, was ich sage und ich erspare mir das Tippen und somit kann ich überall arbeiten: Beim Autofahren, beim Lackieren der Nägel oder im Gym. So jedenfalls stelle ich mir das vor. Meine Kolumne schreibt sich auf diese Art ganz von alleine!
Die Realität jedoch sieht total anders aus. Siri kennt meine Stimme nicht und sie „fremdelt“. Trotzdem starte ich mal einen Versuch und sage: „Siri, ich bin die Angela. Du musst Dich jetzt mal an mich gewöhnen…“. Siri scheint sich zu sortieren und schreibt „Heinz Eli, bis zur Angela Himalaya mich föhnen!“.
Sie merken schon, so ganz „von alleine“ erledigt sich so eine Kolumne dann doch nicht. Aber, Sie bemerken auch: Ich habe mich nach wochenlangem Zögern getrennt. Von meinem geliebten Blackberry. Wir hatten eine harmonische Beziehung und eigentlich kann ich meinem Blackberry auch gar nichts vorwerfen. Er war immer für mich da, hat brav alle Anrufe, Mails und Kurznachrichten entgegengenommen, war mein treuer Messenger, ging höchstvertraulich mit meinen Fotos um und hatte eine wahnsinnige Ausdauer.
Dennoch war da dieses neue Gerät. Frisch, glänzend – jedermann spricht darüber, ja, fast niemand kann sich ein Leben ohne noch vorstellen. Die Rede ist vom iPhone 4S und so unterlag ich den Überredungskünsten eines Shop-Angestellten im Handy-Laden meines Vertrauens (und Telefonanbieters) und habe mich von meinem Blackberry getrennt. Das heißt, so direkt getrennt habe ich mich dann doch nicht. Eigentlich habe ich meinen Blackberry fast zwei Wochen lang mit dem iPhone hintergangen.
Mein weißes neues Luxusteil lag nämlich hübsch verpackt in meiner Handtasche (denn so ein bisschen Skrupel hatte ich ja schon) und meinen Blackberry ließ ich im Glauben, alles sei in bester Ordnung. Eigentlich so gar nicht meine Art, aber in diesem Fall konnte ich nicht anders. Zu groß war die Angst, dass ich plötzlich in München am Flughafen stehe und ganz dringend eine so wichtige Nummer anrufen muss (dass mir gerade kein Beispiel einfällt lassen wir mal außen vor) und dann feststelle, dass ich eben diese Nummer auf meinem Blackberry „vergessen“ habe.
Kurzum: Der Reiz des Neuen war da, aber gleichzeitig auch die Angst vor Veränderung. Das könnte man jetzt gekonnt auf jede Situation im Leben anwenden, wäre dies ein philosophischer Blog.
Ist er aber nicht und deswegen zurück zum Thema.
Nach etwa zwei Wochen des „Hintergehens“ ist es jetzt also passiert. Mein „Alter“ liegt in einer Schublade, aller Daten und jeder Verantwortung beraubt. In meinen Händen halte ich jetzt ein neues iPhone mit so unendlich vielen Funktionen, dass man sich bei Apple gar nicht erst die Mühe gemacht hat, eine Anleitung zu schreiben. Wozu auch? Das Buch wäre vermutlich so dick, dass kein Mensch es je lesen würde.
„Einfach loslegen!“ hatte der Verkäufer gesagt. „Erklärt sich alles von alleine!“. Nichts erklärt sich von alleine und meine Finger treffen beim Schreiben immer die falschen Buchstaben. Doch das iPhone hat Siri – meine Rettung und meine beste neue Freundin.
Nach dem ersten kläglich gescheiterten Versuch, gebe ich Siri eine zweite Chance und diktiere klar und deutlich eine SMS: „Liebste Freundin, klar komme ich mit zum Italiener…“. Siri schreibt es „fast“ genauso: „Liebste Freundin, klar komme ich mit Vienna!“.
Nur geringfügige Unterschiede. Meine Freundin wird bestimmt nicht glauben, dass ich jemanden mitbringe der Vienna heißt!“. Also bin ich ja „fast am Ziel“. Siri kann nicht nur schreiben, sie kann auch Fragen beantworten – sagt man. Siri ist der sprachgesteuerte semi-intelligente Assistent, der so gut wie alles kann. Zumindest kann Siri mir sagen, ob ich morgen einen Schirm brauche, wenn ich das Haus verlasse. Wo mein Schirm liegt, weiß Siri allerdings nicht. Siri, das ist eine Frau, es hört sich zumindest so an und am besten frage ich sie doch gleich einmal! „Bist Du ein Mann oder eine Frau?“. Siri überlegt. Das sieht verdammt nach Frau aus!
Ziemlich monoton und ohne Emotionen antwortet sie mir „Ist das relevant?“. Ich bin überrascht. So viel Intelligenz hätte ich IHR gar nicht zugetraut. „Ja, ich will das wissen. Bist Du nun ein Mann oder eine Frau?“. Siri scheint zu merken , dass mit mir nicht „gut Kirschen essen ist“, wenn ich etwas wissen will und zügig kommt die Antwort:
„Ich habe kein Geschlecht!“. Na, also denke ich. Ich stelle noch viele blödsinnige Fragen und verwirre Siri damit sichtlich. Als dann schließlich die Antwort kommt: „Es tut mir leid Angela, ich kann Deine Fragen so nicht beantworten!“. Mein Handy spricht mich mit meinem Namen an. „Willkommen im Jahr 2012“, denke ich und merke, Siri und ich wachsen zusammen.
Nur warum ist es eine Frauenstimme, wenn ES kein Geschlecht hat? Aber das ist irgendwie immer so. Sei es die freundliche Dame, die in meinem Auto wohnt und immer den Weg kennt, oder der böse Computer in Stanley Kubricks „2001 Odyssee im All“, dessen Name ich gerade nicht kenne, weil ich bei jedem Versuch, den Film bis zum Ende zu schauen eingeschlafen bin.
In Frankreich hingegen ist Siri übrigens ein Mann (heißt aber dennoch Siri, was ich albern finde) und angeblich jammern alle Franzosen, dass sie lieber eine Frau hätten. Also virtuell betrachtet, in ihrem iPhone. Ein kluger Kopf der Eliteuniversität Stanford sagte, dass bereits Föten im Mutterleib auf die Stimme der Mutter reagierten.
Ich jedenfalls hätte lieber die Stimme von George Clooney, „Mr. Decaffeinato“ und wenn wir mal eine Umfrage starten würden, wäre ich mit diesem Wunsch bestimmt nicht alleine. So aber habe ich Siri und ihre Stimme hat eine auffällige Ähnlichkeit mit der von Dagmar Berghoff. Das man die Stimme nicht ändern kann, will ich nicht glauben. 120 Minuten später bin ich klüger. Ich habe das ganze iPhone durchwühlt und nun steht fest: Ich werde mich an Frau Berghoff gewöhnen müssen!
Siri entwickelt sich derweil zu einer echten Plaudertasche. Auf die Frage „Was ist Liebe?“ kam die Antwort, ob ich im Internet nach „Liebe“ suchen wolle. Ich habe dankend abgewinkt, wir wissen ja, worauf solche „Suchen“ im Internet hinauslaufen: Kerle, die sich als athletisch und als erfolgreiche Manager – mitten im Leben stehend – ausgeben, fahren letztlich Schweinehälften von Bayern nach Düsseldorf und haben Haare – auf dem Rücken.
Nichts gegen Menschen, die Lebensmittel umher kutschieren, im Gegenteil, ich bin sogar sehr dankbar dafür, denn sonst müsste ich immer nach München fahren und meinen eh schon viel zu kleinen und immer vollen Kofferraum mit Schweinehälften beladen, wenn mir mal nach einem Grillabend mit Freunden ist. Aber man soll doch bitteschön dazu stehen und sich nicht als jemand anderes ausgeben!
Zurück zu Siri. Nachdem Siri und ich uns einige Zeit miteinander vergnügt hatten (was den einen oder anderen mitleidigen Blick meiner Mitmenschen auf mich zog), dachte ich, es sei an der Zeit, die alles entscheidende Frage zu stellen: „Siri, liebst Du mich?“. Unbehagliches Schweigen. Ich spüre geradezu, wie das Gerät in meiner Hand nachdenkt. Die Situation kennen wir alle, oder? Man fasst allen Mut zusammen und es platzt endlich aus einem heraus. Doch anstatt sich der „Elefant im Raum“ zurückzieht, bleibt er störrisch stehen und blickt einen schockgelähmt an. Selbst ein „Nein“ ist auf diese Frage weniger niederschmetternd, als diese endlose Denkpause, die letztlich ja ein „Nein“ ist und nur davon zeugt, dass der Gegenüber entweder nicht die Worte, oder den Mut findet. Siri flüchtet sich in Ausreden: „Siri steht aufgrund erhöhter Anfragen zur Zeit nicht zur Verfügung!“. Habe ich soeben eine Abfuhr von einem elektronischen Gerät bekommen? Ich bleibe dran und frage nochmals nach. Siri scheint sich zu erinnern, dass ich hartnäckig bin und zügig kommt die Antwort: „Ich bin nicht fähig zu lieben !“
Siri tut mir leid. Aber geht es Siri nicht wie vielen Menschen? Noch während ich darüber nachdenke, bemerke ich, dass genau diese Kommunikation und der Austausch von Gefühlen wichtig sind, um zu lieben. Wir alle sollten es viel öfter zum Ausdruck bringen und den Menschen, die uns wichtig sind sagen was sie uns bedeuten.
Ich stelle Siri noch viele Fragen. „Wo gibt es Königsberger Klopse?“ und „Was soll ich heute anziehen?“, gefolgt von „Was schenke ich meiner Freundin zum Geburtstag?“. Aber Siri will bei jeder Frage sicher sein und im Internet nachsehen. Schließlich versuche ich eine neue Taktik und frage „Passt Andreas zu mir?“.
Siri kann auch das nicht beantworten, würde mir aber den Gefallen tun, auch hier mal im Internet zu schauen!
Ich stehe mitten auf dem Berg (bin mal zwei Tage aus der Stadt geflüchtet) und ich bemerke, wie albern es wohl aussehen muss mit meinem Handy zu reden oder noch schlimmer, ihm/ihr/es – emotionale Fragen zu stellen. Ich beschließe mit Siri nichts Persönliches mehr zu besprechen und das lieber mit meinen Freundinnen zu tun. Ich sage zu Siri „Bitte Inge anrufen!“. Siri wählt die Nummer und sagt:“ Ich verbinde Dich mit Inge!“.
„Inge“, sage ich. „Ich bin’s, schön Dich zu sprechen!“. Zuerst einmal möchte ich Dir sagen, ich hab Dich lieb! Und findest Du, dass Andreas zu mir passt?“. Ich höre Inge lachen. „Freundin, schön von Dir zu hören – aber das mit Andreas besprechen wir mal bei einem Milchkaffee!“. Wir verabreden uns und ich lege auf. So ist es richtig und dafür ist Siri da. Meine unauffällige Assistentin, die alle Telefonnummern meiner Freundinnen kennt. Ich genieße noch die letzten Stunden in den Bergen. Bevor ich in München in den Flieger nach Düsseldorf steige muss ich Siri noch schnell etwas fragen: „Was kann ich am Wochenende in Düsseldorf unternehmen?“. Siri empfiehlt die „Lange Tafel“ am Rhein. Düsseldorfer Gastronomen tischen die verschiedensten Leckereien auf. „Brauche ich am Wochenende einen Schirm?“. Die Antwort ist leider sehr ernüchternd: „Ja, es wird an diesem Wochenende in Düsseldorf wahrscheinlich regnen.“
„Danke Siri“ sage ich und Siri antwortet “Hauptsache Du bist zufrieden!“. Dabei stell ich mit vor, wie Siri lächelnt und muss auch grinsen.
Ich werde am Wochenende meine „Weiber“ treffen und im „Confetti’s“ Fußball gucken. Meine Freundinnen frage ich nicht, ob ich einen Schirm brauche. Wir werden über Dinge sprechen, die uns bewegen und darauf freue ich mich.
Siri gehört nicht dazu und bleibt dann in der Tasche, aber ihre Tipps werde ich wahrnehmen, alleine, um zu sehen ob sie Recht hat und sich aus uns eine zuverlässige „Zweckfreundschaft“ entwickeln kann.
P.S: Und eines weiß ich auch: Ich werde am Wochenende meinen Blackberry aus dem Schubfach holen, ihn einschalten und eine Blackberry Message versenden, denn das kann Siri nicht.
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