Freundschaftsdienste – der Mann aus der Waschstraße und mein Trick mit dem Pizzaservice

Mai 25, 2012 by  

Wer kennt Sie nicht, diese Freundschaftsdienste. Wir machen sie alle mehr oder weniger gerne, aber wir machen  sie und meist heißt es „Kannst Du nicht mal eben schnell …?“. Klar, „eben schnell“ ist gar kein Problem, vor allem wenn wir selber bis zum Hals in Arbeit stecken. Aber ich sage immer, gute Freundinnen verdienen den „Eben-Schnell-Freundschafts-Oscar“, denn natürlich halten wir für Freunde gerne in zweiter Reihe und tauschen „eben schnell“ mal Schuhe in andere Größen um, oder rennen um fünf nach Feierabend zur Apotheke und betteln so lange an der Tür, bis wir dann doch noch bedient werden.
Da sind wir selbstlos, denn Freundschaftsdienste gehen einfach vor.
Ich liebe das und finde, diese kleinen „Du bist mir wichtig“-Zeichen sind einfach etwas Besonderes. In einer Partnerschaft genauso, wie unter Freunden. Ich bin ein Fan von kleinen Zeichen und Ritualen. Mir ist das halt sehr wichtig und dafür tue ich alles – na ja fast!

Diese Woche war ich zwei Tage in  London. Während ich in Heathrow auf meinen Rückflug warte klingelt mein Telefon. Bis dahin nichts Besonderes, denn ich sitze oft auf irgendwelchen Flughäfen und ziemlich oft klingelt mein Telefon. Obwohl ich bereits beim zweiten Klingeln am Telefon war hörte ich meine liebe Freundin Regine mit aufgeregter Stimme sagen „Na endlich, ich dachte schon, Du gehst gar nicht mehr ran, ich bin’s und stell Dir vor was passiert ist ..“. Klar war, da musste was geschehen sein, denn Regine gehörte zu den Freundinnen, die sich eher selten meldeten, denn sie war total damit beschäftigt einen unendlich perfekten Prinzen zu finden. Sie besuchte Galerien und Baumärkte, machte einen Segelschein und spielt natürlich Golf. Sie lässt keinen Tipp aus irgendwelchen Single-Ratgebern unversucht und ist somit in der Mission (Impossible) ständig auf der Suche nach dem passenden Deckelchen. Ich bin ja froh, wenn Sie mich nicht  ständig auffordert daran teilzunehmen. Ich kenne ihre Ansage auf meiner Mailbox nur zu gut: „Freundin, Du musst mit nach Marbella kommen, es wird eine einmalige Sommerparty…“.  Meist sind es irgendwelche Events an den angesagtesten Orten dieser Welt und es wundert mich, dass sie noch keine Einladung zur Oscar Verleihung in Los Angeles hat – und ehrlich, da würde ich vermutlich sogar mitgehen. Alles andere sage ich ihr eher ab. Beruflich bin ich eh schon so viel unterwegs und außerdem glaube ich noch an Zufälle. Nette Männer lernt man einfach wirklich auf dem Markt, am Flughafen oder am Geldautomat kennen, denn nette Männer sind nicht ständig damit beschäftigt, sich auf weißen Sommerpartys und überdimensionalen Luxusschiffen herumzutreiben. Jetzt aber habe ich sie am Telefon und jetzt brauchte sie mich. Ich aber  bin in London am Flughafen.
„Freundin, wann bist Du zurück? Ich brauche Dich dringend in Düsseldorf“. Ihre Stimme überschlägt sich fast. „Oh weh“, denke ich. Vermutlich handelte es sich wieder um so einen  super Typ, so einen „Helden“ in Form von gelangweiltem Ehemann mit unechten Zukunftsversprechen. Diese Männer kenne ich nur zu gut. Oft sind sie durch Kinder, Firma oder Geld an die Ehefrau gekettet, können den letzten Schritt nicht gehen und holen sich die Liebe woanders. Gerne auch monatelang. Dabei geht es noch nicht einmal nur um Sex. Natürlich naschen sie auch sehr gerne, aber oft herrschen auch totale Mangelerscheinungen in den Rubriken „Aufmerksamkeit“ und „Zuneigung“.

In Gedanken  sehe ich Regine in vier Monaten wieder verzweifelt heulen. Das darf einfach nicht erneut passieren, auch wenn sie selber immer Schuld war, denn sie sucht immer in der „Schaumschlägerfraktion“, anstatt mal nach einem echten, charmanten Kerl Ausschau zu halten. Meine Lust auf einen Freundschaftsdienst – in welcher Form auch immer – war hier sehr überschaubar. „Diesmal ist alles anders!“, hörte ich sie sagen. „Klar“ denke ich, „wie immer!“. „Er ist anders als die Anderen“. Das kannte ich schon … „Er heißt David und ist so toll und so ein Lachen hat er und er ist so süß …“.

„Regine wird es nie lernen“, denke ich, während ich ihr lausche und diese Beschreibung höre ich nicht zum ersten Mal. Vermutlich folgt gleich ein Satz, in dem die Worte “Monaco“ oder “Beach Club“ vorkommen. Doch es kommt anders: „Er hat so blaue Augen und ich habe ihn in der Waschstraße getroffen!“ Ich horche auf. „Waschstraße? Reginchen, hast Du Waschstraße gesagt? Das wäre ja mal ein ganz normaler Platz, was hast DU denn da gemacht?“ Ich hörte Regine lachen und sie sprudelte weiter: „Angela, ich habe mein Auto gewaschen – also ich bin da einfach durchgefahren. Du hast doch immer gesagt, dass ich “normale Plätze“ aufsuchen  soll und da ist mir die Waschstraße eingefallen. Ich bin da also rein – oh Angela, ich habe selbst die Antenne abgedreht und die Parktronic hat die ganze Zeit gepiepst. Kannst  Du  Dir vorstellen, wie aufgeregt ich war…?!“.

Reginchen  redete und redete und bei mir fingen die ersten Passagiere mit dem Boarding in den Flieger an. Während meine frisch verliebte Freundin – ohne Luft zu holen – den mir bekannten Ablauf einer Waschstraße beschrieb, war ich damit beschäftigt zu überlegen, wie ich an meinen Boardingpass komme, denn der war natürlich auf meinem Handy gespeichert. Papierloses Reisen ist sehr komfortabel,  gerade jetzt aber hinderlich.

Die letzten Passagiere waren bereits im Flieger und das Flugpersonal  schaute mich ziemlich auffordernd an. Am Telefon war noch immer meine Freundin. Als ich mich gerade entschlossen habe, ihr zu erklären, dass ich jetzt einsteigen muss und spät lande, aber mir alles morgen anhören würde, sagte sie stockend: „…und dann hat er mir seine Visitenkarte gegeben und … bist Du noch da Angela?“. Sie fing nun an zu weinen und redete schluchzend weiter „… ich weiß jetzt schon, er wird wieder einmal verheiratet sein und wenn ich an meine letzte Geschichte mit Frank denke und wie schlecht es mir dann ging, Angela … und auf seiner Visitenkarte steht seine Adresse und ich fahre jetzt da einfach hin und gucke, was am Klingelknopf steht…!“.

„Last call for the remaining passenger Mrs. Angela van Moll on Lufthansa Flight 4956 to Duesseldorf. Please proceed to gate…“.

Es bestand nun eine gute Möglichkeit meinen Flieger zu verpassen und es war der Letzte heute. Aber lässt man eine liebe Freundin weinend zurück, nur um seinen Flug zu bekommen? Das Bodenpersonal gibt mir zu verstehen, dass sie nun gleich selber vorhaben in die Luft zu gehen.
Hilfesuchend gucke ich die Dame in dunkelblau an und flüstere ihr zu „Liebeskummer – meine Freundin!“. Ihr Gesicht hellt sich verständnisvoll auf. Sie zeigt mir „2 Minuten“, greift zum Telefon und während sie mir Zeit verschafft sage ich zu Regine „Freundin, Du wirst auf keinen Fall dahin fahren. Stell Dir nur vor, er sieht Dich vor seiner Tür. Was dann? Blöder geht’s ja wohl nicht!“. Ich lauschte kurz, Reginchen war still geworden am anderen Ende der Leitung. „… ich fliege jetzt und Du kommst zum Flughafen und holst mich ab. Ich lass mir was einfallen. Verspreche ich Dir und ehrlich, ich verstehe Dich, aber die Welt geht heute deshalb nicht unter!“ Das war für mich leicht gesagt, aber ich weiß auch, dass man die Gefühle und Sorgen anderer Menschen ernst nehmen sollte und DAS waren jetzt Regines Sorgen. „Ja, ich hole Dich ab und ich weiß, dass Du immer tolle Ideen hast und ich weiß, dass Du mir hilfst. Ich muss wissen ob er verheiratet ist. Noch einmal einen, der verheiratet ist…!“ Ich unterbrach sie. „Ich weiß, verlass‘ Dich auf mich!“ und legte auf.

PIEP! Ich hielt das Handy auf den Scanner und war an Board.
Dass die anderen Passagiere nicht klatschten, als ich hereinstürmte, fand ich schon sehr unsportlich. Ich ließ mich in den Sitz fallen und war ziemlich müde. Die Nacht in London war verdammt kurz und vermutlich würde ich auch heute nicht zeitig ins Bett kommen. „PIEP, PIEP“ und mein Messenger auf dem Handy leuchtete auf. Regine schreibt „Du bist mein Engel!“. Keine zwei Stunden später flog sie mir dann live am Flughafen um den Hals und hält mir sofort seine Karte direkt vors Gesicht. „Und? Hast Du einen Plan?“ fragte sie voller Erwartung. „Regine, auf der Karte ist ja wirklich seine Privat Adresse, das macht er doch nicht, wenn er verheiratet ist.“ Ich freute mich, denn ich fand das Problem sei nun geklärt! Ich erntete einen mahnenden Blick!
„Ist schon gut, fahr mich zu seiner Adresse –  aber Du bleibst im Auto, wenn ich aussteige! Versprochen?“. Sie nickte bereitwillig und kurze Zeit später hielten wir am Kaiser-Wilhelm-Ring in Oberkassel. Ich stieg aus und checkte die Klingel. Drei Parteien, bei ihm nur der Nachname. So komme ich nicht weiter. 22.30 Uhr und da war er, mein Blitzgedanke: Ich nehme mein Handy und wähle die Nummer vom Pizza Taxi. „Eine Pizza Salami bitte zum Kaiser-Wilhelm-Ring – und wie lange dauert das?“ –
Signora, wir schnell – keine 15 Minuten.“

„Perfekt“, dachte ich und tatsächlich, keine 15 Minuten später knatterte ein Fiesta um die Ecke. Ich lief auf den Wagen zu. Ein viel zu dicker Junge saß am Steuer, auf dem Beifahrersitz dampfte meine Pizza.
Ich tauschte Pizza und Beleg gegen 12 Euro und als der nette, viel zu dicke Junge gerade abfahren will, fällt mein Blick auf sein T Shirt mit dem Pizza Taxi Werbeaufdruck. „Sag mal, Dein Shirt .. verkaufst Du mir das?“ ich grinse das Kerlchen vielversprechend an. „Ne, da bekomme ich Ärger“ bekommt er stotternd raus. „OK, 30 Euro“ – dieses Trinkgeld schien verlockend genug und kurz huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Und was sage ich meinem Chef, wenn ich ohne Shirt zurück komme?“  Ich überlegte kurz. „Du leihst es mir. Für 5 Minuten!“ Ich hielt ihm die 30 Euro gefächert vor die Nase. Regine hatte ich im Blick. Sie hatte ja “Aussteigeverbot“ und blieb brav im Auto sitzen. Der Pizza-Junge zog nun bereitwillig das Shirt über den Kopf, schnappte sich die 30 Euro und meinte „5 Minuten und nicht länger!“. Ich schmiss mir das Shirt über, stank nun glaubwürdig nach Pizza, machte mir einen Pferdeschwanz, klemmte mir Pizza und Rechnung unter den Arm und ging zurück zur Haustür. Fast 23 Uhr, aber mir war alles egal. Ich leistete hier gerade einen echten Freundschaftsdienst und der Ort der ersten Begegnung, eine normale Waschstraße trieb mich zu Höchstleistungen.

Ich drückte seine Klingel und grinste breit in die Überwachungsanlage. „Ja Bitte“ höre ich eine Männerstimme. „Pizza Taxi““ sage ich gut gelaunt und war sehr erstaunt, dass die Tür aufging. Ich sprang die Treppen hoch in die 2. Etage und da stand er auch schon in der Tür. Am liebsten hätte ich gesagt „Hi David, ich bin Angela und ist Dein Auto schön sauber geworden? Kannst Du mir bitte sagen, ob Du verheiratet bist, denn meine Regine sitzt im Auto vor der Tür und will das wissen, aber nicht schwindeln und die Pizza esse ich selber, denn ich habe einen riesen Hunger!“.
„David Bornemann?“ (Name natürlich von der Autorin geändert) fragte ich fröhlich: „Sie haben eine Pizza bestellt!“. Voller Erwartung blickte ich ihn an, jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. „Nein, habe ich nicht“ meinte er sichtlich verwirrt „und schon gar nicht um diese Zeit!“. Mit der Uhrzeit hatte er Recht und das erklärte auch seine tolle Figur. Ich aber konzentrierte mich jetzt auf das Wesentliche!  „Tja, Herr Bornemann, sie haben vielleicht nichts bestellt, aber ihre Kinder bestimmt!“ und neugierig versuchte ich dabei in die Wohnung zu gucken. David blieb ruhig, „ich habe keine Kinder!“. Ich näherte mich meinem Ziel und zeigte mein schönstes Lächeln. „Vielleicht fragen sie mal Ihre Frau? Möglicherweise  hatte sie keine Lust zu kochen?“ Der Scherz schien angekommen zu sein, denn nun lächelte auch er. „Ich habe auch keine Frau, also hat niemand eine Pizza bestellt!“.

Er musterte mich und sein Blick verriet, dass er mein zeltähnliches Shirt nicht passend zu meinen hohen Schuhen fand. „Nicht verheiratet“ dachte ich! „BINGO“ – am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen. Stattdessen belohne ich ihn mit meinem Strahlelachen, entschuldige mich für das Missverständnis und springe die Treppen trotz High Heels voller Freude hinunter. „Sympathisch ist dieser Waschstraßen-David“,  denke ich.  Dem Pizzajungen reiche ich sein Shirt zurück, stelle die Pizza wieder auf seinen Beifahrersitz und sage „Danke, bist ein Schatz aber ich esse gar keine Pizza Salami!“. Während das Pizzataxi davon knattert steige ich zu Regine ins Auto. „Regine, ein Volltreffer“. Ich lehne mich zurück und ich erzähle die ganze Geschichte. Wir lachen und lachen und lachen …

Regine und David sind nun am Wochenende verabredet. Nein, nicht in der Waschstraße, diese Zwei werden einen Ausflug nach Holland an’s Meer machen. Mit einem sauberen Auto versteht sich und lieber David Bornemann, wenn Du das hier liest: „Verzeih mir!“.

Ich liebe Freundschaftsdienste und ich weiß auch warum. Sie machen uns glücklich. Unsere Freunde, unsere Partner und somit auch uns.

Was ich am Wochenende mache? Ich fahre auf jeden Fall durch die Waschstraße, vielleicht auch zwei oder drei Mal! 😉

Heute Abend, am Freitag den 25. Mai gehe ich um 21 Uhr zum Sonderkonzert u.a. mit Rea Garvey, der mit seinem Hit „Can’t stand the Silence“ derzeit die Chartwelt stürmt. Hangar 8 der Air Berlin. Und natürlich am Wochenende zur Jazz Rally. 92 Konzerte und Kaiserwetter, da wird Düsseldorf musikalisch verzaubert.

Aber mein besonderer Tipp des Monats, ist das Gartenlokal
„Lehmanns“!  Ein liebevoll renoviertes Fachwerkhaus mit romantischem  Garten, einem Meer von Kerzen und Kronleuchtern in den Bäumen.
Ich war schon da: Myllendonker Str. 247 in Mönchengladbach!

Kommentare