Der Agentenkrimi von London – dies ist der Mann, den Ex-KGB-Mann Litvinenko in der Sushibar traf: Mario Scaramella, Nuklearexperte
November 26, 2006 by osi
Prof. Mario Scaramella aus Neapel
Die spektakuläre Ermordung des russischen Ex-KGB-Agenten Alexander Litvinenko – immer mehr mysteriöse Details kommen ans Tageslicht. Der Exil-Russe und Wladimir Putin-Gegner, der nach langem Todeskampf an der Verabreichung einer Polonium-Dosis starb, hatte den russischen Ministerpräsidenten der Täterschaft beschuldigt. Heute kommt die Londoner Daily Mail mit einer brisanten Enthüllungsstory, die wir hier weitergeben.
Laut der Daily Mail-Enthüllung ist der Mann, den Litvinenko kurz vor seinem Tod in einer Sushibar traf, ein ausgewiesener Nuklearexperte namens Mario Scaramella. Die Zeitung nennt Scaramella einen „internationalen Sicherheitsberater“, der Kopf einer Organisation gewesen sei, die Nuklearabfälle inklusive sowjetischer Nuklearraketen, die aus dem Kalten Krieg übrig geblieben waren, aufspürte. Scaramella habe jede Verwicklung in die Ermordnung Litvinenkos heftig dementiert, vor Tagen jedoch erklärt, „dass etwas sehr Seltsames vorgeht“.
Die Daily Mail von heute:“Er hat ein profundes Wissen über nukleares Material und kann es rund um den Globus lokalisieren. Obwohl er sich als Umweltschützer beschreibt, hat er detailliertes Wissen über die Aktivitäten russischer Agenten.“
Uran im Koffer
Die Daily Mail, die Scaramella in seinem Wohnort Neapel interviewte, enthüllt, dass der Nuklearexperte im Juni letzten Jahres der italienischen Polizei einen Tipp gab, der zu einer Untersuchung über einen angeblichen Uranschmuggel nach Italien führte. Er habe die Detailinformation weitergegeben, „dass das Uran in einem Koffer versteckt war und aus einem nicht benannten Land in der früheren Sojwetunion stammte.“ Innerhalb von 24 Stunden habe die Polizei vier Festnahmen vorgenommen. Scaramella erklärte damals, er habe Aktivitäten früherer KGB-Agenten in San Marino untersucht. Gleichfalls habe er dem Handel mit Waffen aus der früheren SU und möglichen Verbindungen mit italienischen Terroristen nachgespürt. Während dieser Untersuchung, so Scaramella, „wurde mir ein Dokument zugespielt, wonach frühere KGB-Männer in San Marino versuchten, nukleares Militärmaterial zu verkaufen„. Bei dem sichergestellten Uran hat es sich laut Daily Mail um zu 90 Prozent angereichertes Uran gehandelt (einer Blog-Quelle zufolge: 10 kg), das die Produktion einer kleinen Atombombe ermögliche. Auch ein elektronisches Zielgerät sei beschlagnahmt worden.
Verlorene Raketensprengköpfe
Ein Jahr zuvor hatte Scaramello mit Hinweis auf russische Geheimdienstkreise bekannt gemacht, dass ein sowjetisches Unterseebot in der Bucht von Neapel 20 Raketensprengköpfe verloren habe. Seit 2003 arbeitet Scaramella als Berater der „Mitrokhin Commission“ des italienischen Parlaments, die versucht, gefährliche vagabundierende Waffen unter Kontrolle zu bringen. Der Namensgeber, Vasili Mitrokhin, war gemäß Daily Mail ein wichtiger Archivar des russischen Geheimdienstes. Seine Aufzeichnungen hätten zu weltweiten Untersuchungen geführt. Eines der Ergebnisse der Untersuchungen in Italien habe ergeben, dass die frühere Sowjetunion hinter dem 1981 verübten Mordversuch an Papst Johannes Paul II steckte.
Namen auf der Todesliste
Dieser Quelle (englischer Blog „European Tribune“) zufolge ist Scaramella enger Vertrauter von Viktor Komogorov, dem Vize-Chef des FSB, der Nachfolge-Organisation des KGB. Der mysteriöse Nuklearexperte hat Litvinenko angeblich treffen wollen, um mit ihm über eine „Todesliste“ zu sprechen, auf der sowohl sein Name als auch der Litvinenkos stünden.
Alexander Litvinenko
Scaramella erklärte, die Mitrokhin-Kommission sei an ihn wegen seiner Verbindungen zu Russland herangetreten. Der Daily Mail sagte er: „Meine Arbeit betraf eine Reihe sowjetischer Themen – die Beseitigung radioaktiven Abfalls, der von Satelliten aufgespürt werden kann und den Verlust nuklearen Geräts.“ Im Jahre 2003 habe er die Operationen des KGB und anderer Ostblockstaaten auf italienischem Gebiet untersucht, inklusive der Zahlung von Schmiergeldern an italienische Journalisten durch den KGB“. Im Jahr 2004 führte Scaramella laut Daily Mail eine Untersuchung über illegale Abfallentsorgung der Mafia in einem italienischen See durch. Er habe die Polizeii zum Haus des Verdächtigen geführt, wo ein Kugelhagel sei empfangen habe. Ein Mafioso sei verhaftet und ein Waffenlager beschlagnahmt worden.
Attentat verhindert
Alle Nachforschungen der Daily Mail über von Scaramella angegebene Tätigkeiten an Universitäten liefen ins Leere. Die Zeitung verweist auf die Diskussion in Internet-Foren, die verschiedene Theorien verbreiten. Die schwerwiegendste sei, dass er ein operierender Geheimagent mit unterschiedlichen Loyalitäten sei, der eine Reihe politischer und geschäftlicher Interessen als Fassade für seine Aktivitäten vorschützt.
Zu seinem Verhältnis mit dem später ermordeten Litvinenko befragt, erklärte Scaramella, er habe während seiner Arbeit für die Mitrokhin Kommission eine Beziehung zu ihm geknüpft und sie hätten sich bereits mehrere Male zuvor in der Sushibar getroffen, um Geheimdienstfragen zu erörtern. Er gab gegenüber der Daily Mail an, ein Tipp von Litvinenko habe geholfen, letztes Jahr ein Attentat auf den italienischen Senator Paolo Guzzanti zu verhindern, der die Untersuchungen der „Mitrokhin Kommission“ führt. Der Tipp habe zur Festnahme von sechs Ukrainern geführt, denen man unterstellt, sie hätten Granaten, versteckt in ausgehöhlten Bibeln, ins Land schmuggeln wollen. Prof Scaramella said: „Ich bin nicht bereit, mehr zusagen. Ich kooperiere mit den Behörden. Wenn sie mehr wissen wollen, fragen Sie Scotland Yard“.
Explosiv und spannender als ein Agentenkrimi von John le Carré ist diese Enthüllung von Alexander Litvinenko: „Why I believe Putin wanted me dead“ (liegt leider nur in englischer Sprache vor und ist zu lang zum Übersetzen).
„Flügelschlag des Todesengels“ – Video bei Focus Online
Nachtrag, 29. November: Spiegel Online – die diversen Verschwörungstheorien
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