Mann mit Rückgrat – RWE-Boss Großmann beeindruckt beim Düsseldorfer Ständehaus-Treff und wird begeistert gefeiert

Mai 19, 2011 by  

Leistet sich geistige Unabhängigkeit, sagt was er denkt: Dr Jürgen Großmann im Ständehaus. Fotos: Rolf Purpar

Die rund 550 Gäste des Ständehaus-Treffs von Signa und Partnern erlebten an diesem Montag einen absoluten Höhepunkt. Viele waren vor ihm da gewesen – Gerhard Schröder, Angela Merkel, Guido Westerwelle, weitere Politiker und Wirtschaftskapitäne, doch eine Standing Ovation gab es bislang nur für einen: RWE-Chef Dr. Jürgen Großmann. Der gebürtige Mülheimer – ein Baum von einem Mann, finanziell unabhängig, Milliardär und, was Geld allein nicht bewirkt: ein Mann mit eigener Meinung, ein Industrieboss mit Rückgrat. Großmann hat als einziger Vorstandsvorsitzender eines Energieversorgers gegen das Atom-Moratorium der Bundesregierung und damit gegen die Abschaltung des RWE-Kernkraftwerks Biblis A geklagt und war dafür besonders von linken Journalisten – siehe hier: Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung – gescholten worden.

Im Ständehaus-Interview mit ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der es neben dem charismatischen Zwei-Meter-Hünen  nicht leicht hatte, nahm Großmann völlig unverblümt Stellung zu aktuellen Themen aus Energie und Politik.

Über Unabhängigkeit:

„Unabhängig – das hat nicht unbedingt mit materieller Unabhängigkeit zu tun. Manche Leute sind ja erfolgssüchtig, würden für Macht alles tun. Ich finde wichtig, dass man sich laufend darüber im klaren ist, wer ist man selber, ist man Spielball anderer Menschen oder steht man für das ein was man glaubt.“

Über Fukushima – Hat er sich ein derartiges Szenario je vorstellen können?

„Natürlich macht es mich wahnsinnig betroffen, dass eine hoch technisierte Nation wie Japan, die für ihre Präzision berühmt ist, eine solche Katastrophe erleiden muss. Aber ich muss  sagen, die Katastrophe waren das Erdbeben und der Tsunami und diese Katastrophe ist immer noch um den Faktor 100 schlimmer als das was in Fukushima passiert ist.“

Hat er sich vorstellen können, dass eine christdemokratische Kanzlerin faktisch den Ausstieg aus der Atomenergie verkündet?

„Ich habe mir nicht vorstellen können, und das geht jetzt nicht auf die Bundeskanzlerin sondern  auf eine Reihe politischer Persönlichkeiten aller Parteien, dass man Dinge, für die man jahrelang eingestanden ist und die man auch in seiner eigenen Wahlplattform gesagt hat, ohne eine gründliche Faktenanalyse über Bord wirft und ich frage mich, warum tun die Menschen das.
Ich denke, dass sie auf der einen Seite von einem gewissen Selbsterhaltungstrieb getrieben sind, die wollen wieder gewählt werden. Und anstelle die Menschen zu führen in ihren Gedanken gucken sie, wohin laufen die Menschen und wie kann ich am schnellsten hinterherlaufen. Das ist nie mein Stil gewesen.“

Über Atomenergie:

„Wir brauchen genügend cash flow um eine Transformation zu bewältigen. Dafür brauche ich die Kernkraftwerke, ich brauche die Braunkohle. Ich habe ein manifestes Interesse daran, eine Energieart, die es auf der Welt 430 mal gibt, 70 Kernkraftwerke sind derzeit im Bau, dass wir die bei uns nicht zu schnell abstellen. RWE hat den größten Energieversorger Essent in den Niederlanden gekauft. Essent ist an dem einzigen niederländischen Kernkraftwerk Borsselen beteiligt. Borsselen ist praktisch ein Biblis, von der KWU gebaut, jede Pumpe, jede Leitung ist quasi genau wie in Biblis. Borsselen darf 60 Jahre laufen – stört kein Schwein in Holland. Die wollen sogar neu bauen. Nur wir sollen Biblis nach 32 Jahren abschalten. Was das für ein Nachteil für uns ist und auch für unsere Kunden, das sieht keiner.“

Zur Ideologie um die Atomkraft:

„Ich darf den Ihnen sehr nahestehenden und von mir sehr  bewunderten Helmut Schmidt zitieren, der in Folge Fukushima gesagt hat: „Wollen wir doch hoffen, dass keiner in Deutschland diese Diskussion nimmt um sich parteipolitisch herauszureden und die Kernkraft in Frage zu stellen.“
Die Kernkraft wird uns noch eine ganze Zeit begleiten. Andere Partner in Europa, auf die wir angewiesen sind, bauen neue Kernkraftwerke und andere lehnen die Sicherheitsdiskussion so wie wir sie führen auch ab, das werden Sie sehen. Ich weiß nicht, warum ich moralisch so in die Ecke gestellt werde, wenn ich sage, ich verhalte mich so wie die meisten anderen Europäer.“

Ist Dr. Großmann enttäuscht über die derzeitige Zurückhaltung von Unterzeichnern des Energiepolitischen Appells?

„Nein, es gibt andere, die genauso sagen, ich würde es genauso wieder machen. Dieser Energiepolitische Appell sagt, dass die Erneuerbaren die Zukunft sind…
Die Bundeskanzlerin hat am Montag oder Dienstag nach Fukushima angerufen und gesagt, Herr Großmann, legen Sie Biblis A still.
Da habe ich gesagt, Frau Bundeskanzlerin, ich kann ein Kernkraftwerk aus drei Gründen stillegen: Erstens, wenn es kein Geld verdient, dann muss ich es stillegen, denn dann würde ich ja meine Aktionäre schädigen. Zweitens, wenn es unsicher ist. Es ist nicht unsicher. Drittens, wenn ich keine Betriebsgenehmigung habe, und da sind Sie am Zuge. Also, habe ich gesagt, handeln Sie doch. Der Staat muss aber bei jedem Handeln, ob er Ihnen einen Steuerbescheid schickt oder was weiß ich, muss er sich eine rechtliche Grundlage verschaffen.
Die rechtliche Grundlage des Moratoriums, der herangezogene Paragraph 19 Atomgesetz, ist keine Grundlage dafür, das wollten wir gerne feststellen. Warum habe ich das getan: Weil ich am Ende aus einer Position der Stärke mit der Bundesregierung verhandeln will. Ich stehe doch besser da, wenn ich sagen kann, es war nicht rechtens, dass ihr mir Biblis A und B stillgelegt habt. Und daraus habe ich eine Forderung gegen euch. Natürlich möchte ich einen Konsens, aber ich möchte den Konsens nicht diktiert bekommen sondern ich möchte eine gesicherte Rechtsposition und ich glaube, da habe ich genug Rückgrat um mich da hinzustellen. Das heißt doch nicht, dass ich ein moralisch schlechter Mensch bin. Wenn sie einen schlechten Steuerbescheid kriegen, können Sie doch auch gegen den Staat klagen.“

Was er tun wird, wenn das Moratorium Mitte Juni ausläuft und eine Lücke bis zu einer Beschlusslage im Bundestag entsteht…

Großmann gesteht, dass er zu Bundesumweltminister Norbert Röttgen „kein Verhältnis“ habe und erläutert: „Der hessische Umweltminister hat uns angeschrieben und mitgeteilt, sollten Sie planen, Biblis A wieder anzufahren, teile ich Ihnen hiermit mit, dass wir Ihnen das untersagen werden. Das ist genau das was ich brauche.
Wir reden hier über viele Schicksale. RWE beschäftigt 2000 Leute in der Kernenergie, denen habe ich versprochen, dass ich um ihre Jobs kämpfe. Das habe ich versprochen.“

Über Angela Merkel:

„Frau Merkel, wenn sie nix tut, verliert sie, nämlich Nordrhein-Westfalen, und wenn sie was tut, wenn sie nämlich eine grüne Ideologie nachahmt, verliert sie auch. Ich glaube, um das mal so profan zu sagen, dass fast jede politische Partei einen Markenkern hat. Und wenn Sie versuchen den Markenkern einer anderen Partei plötzlich zu sich rüber zu ziehen, wird das nicht notwendig dazu führen, dass Sie gewinnen. Ich glaube, dass den Menschen klar war, dass die CDU/CSU, die FDP auch, zumindest die Frage eines Energiemixes anders beurteilen als die Grünen. Und wenn man dann Hals über Kopf grüner werden will als die Grünen, dann goutiert das die Wählerschaft nicht, das ist einfach zuviel.“

Wäre die Energiewende bis 2021 zu schaffen, wie von der „Ethikkommission“ vorgeschlagen?

„Man kann alles Mögliche schaffen, wenn man die richtigen Rahmenbedingungen setzt und gewisse Konsequenzen akzeptiert. Was ist unsere Energieversorgung im Moment? Die besteht zu 17 % aus Erneuer baren. Diese 17 Prozent werden zu Kosten erzeugt, die im Schnitt viermal so hcoh sind wie der Börsenpreis für Strom. Sie wissen, dass diese Erneuerbaren nicht Marktkräften unterliegen sondern gesicherte Einspeisevergütungen haben, die zum Teil extrem hoch sind.
Nehmen wir an, die Kilowattstunde Kernenergie, die unter 3 Cent liegt, wird ersetzt durch die Kilowattstunde Fotovoltaik, die 38 Cent kostet, das zwölffache, dreizehnfache. Das könnten Sie naiv als Summenrechnung machen und trotzdem sind Sie damit falsch, denn (…) die Kernenergie bietet gesicherte Leistung ist, die können Sie abrufen zu Tag und Nacht, ob’s gewittert oder die Sonne scheint, ob Wind bläst oder nicht.
Wir können nicht einfach kWh durch kWh ersetzen. Sie müssen dazu noch zur Netzstabilisierung Kraftwerke laufen lassen. Sie müssen um Photovoltaik abzusichern, praktisch 100 % der Leistungen standby haben, bei Windenergie etwa 80 %.  Das muss der der das Netz betreibt beistellen. Diese Kosten kommen noch dazu.
Wenn der Bauer in der Eifel auf seine Scheune eine Photovoltaikanlage setzt, dann muss die Allgemeinheit über die Netzkosten, das sehen Sie gar nicht, den Anschluss bezahlen. Wenn man das alles zusammenrechnet… Sie können natürlich sagen, ok, wir können ja Kohlekraftwerke länger laufen lassen. Dann muss man so ehrlich sein, dass wir unsere CO²-Ziele nicht erreichen.“

Die Bundesregierung wolle doch Energie einsparen, etwa über Dämmung

„Es ist doch viel simpler für die Politiker, auf die großen Energieunternehmen zu zeigen und zu sagen, macht ihr mal was. Aber wenn sie dazu gezwungen werden, eine bessere Hausdämmung zu machen, dann gäbe es einen Aufschrei in Deutschland. Die Leute  sind alle der Meinung, Energiewende, ja  – müssen wir machen. Ob IPCC wirklich recht hat mit der Kliamaerwärmung, darüber wird gar nicht mehr diskutiert.
Wenn ich sage, mein primäres Ziel ist aus der Kernkraft auszusteigen, möglichst schnell, dann ergibt sich daraus ein Handlungsstrang, den kann man gehen. Wir machen da gerne mit, wenn das der Wille ist, einverstanden: machen wir mit.
Man kann aber auch sagen, wir wollen co2 sparen. Dann gibt es einen anderen Weg. Übrigens: Der Greenpeace-Mann aus England, der Gründer, ist ja jetzt glühender Verfechter der Kernenergie, weil er sagt, die Risiken aus fossilen Brennstoffen sind höher als aus anderen. Und die Investition in ein neues Gaskraftwerk kann derzeit niemand rechtfertigen.“

Beeindruckt von Großmann: Bürgermeisterin Gudrun Hock (SPD), Dr. Ulrich Piepel (RWE Einkaufschef) und Ständehaus-Treff-Organisator Axel Pollheim (Signa)

Dafür, dass ihre Parteifreundin Angela Merkel bei Großmann nicht so gut wegkam, gucken diese drei CDU- Männer recht fröhlich: Von links  – Olaf Lehne (MdL), Ex-Finanzminister Helmut Linssen und Rolf Tups, Bezirksbürgermeister im linksrheinischen Düsseldorf


Kommentare

One Response to “Mann mit Rückgrat – RWE-Boss Großmann beeindruckt beim Düsseldorfer Ständehaus-Treff und wird begeistert gefeiert”

  1. Prof.Dr.Christoph E. Broelsch on Mai 31st, 2011 09:49

    Eine klare Stellungnahme eines kompetenten, vorurteilsfreien Mannes, der mit Fakten und nicht mit ideologisierter Meinungsmache überzeugt. Gerade das Zitat von Helmut Schmidt überzeugt durch Vernunft und Erfahrung. Die Handlungen der Politik sollten sich am „Wohl des Volkes“ orientieren und nicht nur daran, wie man populistisch die nächsten Wahlen gewinnen könnte. Die Message ist: Mehr sachgerechte Information durch Medien und nicht Demagogie.