Liebe – ein seltsames Spiel

März 6, 2023 by  

Von Gisela Rudolph

Herz-Schmerz mit Beinahe-Tragödie, garniert mit Varieté-Flitter bis zum Happy End zeigt die Düsseldorfer Rheinoper in der neuen Premiere „La Sonnambula“ von Vincenzo Bellini in der Inszenierung von Johannes Erath – die Liebe als seltsames Spiel.

Elvino (Edgardo Rocha) hat einen Schlag bei Frauen! Neben seiner Braut Amina (Stacey Alleaume) ist nämlich auch Lisa (Heidi Elisabeth Meier) hinter dem wohlsituierten jungen Herrn her. Das mag an der Lage des Dörfchens liegen, das von der Außenwelt abgeschlossen in den Alpen liegt. So gibt es nicht viel Auswahl und Zerstreuung, auch die Bewohner nehmen jede Gelegenheit wahr, die Feste zu feiern, wie sie fallen – ob bevorstehende Hochzeit von Amina und Elvino oder die Rückkehr des Grafen Rodolfo (Bogdan Taloş). Welch Skandal aber, als Lisa ihre Gegenspielerin Amina im Bett des Grafen findet. Dass sie dorthin im Schlaf gewandelt ist, also nichts davon weiß, glaubt ihr die aufgebrachte Dorfgemeinschaft nicht.

Regisseur Johannes Erath lässt Amina, wie im Balance-Akt, auf der Bühnenbild-Galerie ihre große Schlussarie singen. Ihr Liebesbekenntnis zu Elvino fruchtet, und er nimmt sie schließlich doch. Wäre da nicht gleichzeitig die schlafende Double-Amina auf dem Bühnenboden. Sollte eventuell alles nur der Traum einer Schlafwandlerin sein? Und wird es vielleicht ein böses Erwachen geben?Doch die Oper ist nicht nur melodramatisch im Wortsinn, sondern gilt auch als „semiseria“, also halbernst. So ist Raum für den versöhnlichen Schluss, wenn auch mit Bedenken.

 

Feuriger Macho und Latin Lover

 

Dirigent Antonino Fogliani verbindet mit den fabelhaften Düsseldorfer Symphonikern feinsinnig Melodienseligkeit mit dramatischen Akzenten als Schöngesang auch bei den atemberaubenden Verzierungen. Stacey Alleaume, die erst vor etwa drei Monaten die Partie gelernt haben soll, bringt von höchsten Höhen bis in erstaunliche Tiefen Befindlichkeit und Seelenlage der Amina von Zwitscher- und Stakkatotönen bis hin zu lyrischem Mittellage-Timbre bewundernswert über die Rampe. Gleiches gilt für Edgardo Rocha, der Elvino vom feurigen Macho bis zum Latin Lover charakterisiert. Da passt auch das weiße Timbre seines Tenors, unforciert bis in unvorstellbare Höhen.  Bogdan Taloş ist ein nobler Graf Rodolfo mit sattem Bass-Bariton, dessen lyrische Tongebung an Verdis Bariton-Partien aus „Don Carlos“ und „La Traviata“ erinnert. Heidi Elisabeth Meier singt ihre Lisa so inbrünstig und treffsicher bis in die hohen Lagen, dass manche Zuschauer ihr auch die Titelpartie zugetraut hätten. Und natürlich der Rheinopern-Chor (Einstudierung: Patrick Francis Chestnut). Nahezu in jeder Szene  Solisten und Handlung kommentierend, hat er mal wieder ein Forum, seine Stimmschönheit, Musikalität und schauspielerische, tänzerische  Begabung zu zeigen.

Denn Regisseur Erath inszeniert die „Sonnambula“ sinnfällig nicht nur auf mehreren Ebenen (Bühne: Bernhard Hammer), sondern  gibt der Dorfgesellschaft Gelegenheit, sich von recht  unbürgerlicher Seite im Varietékostüm zu zeigen (Kostüme: Jorge Jara). Ein Schuss Ironie für die Herz-Schmerz-Story?

Dem Publikum gefiel’s. Bravorufe und Jubel für alle Beteiligten inklusive Johannes Erath und seinem Regieteam.

Also Karten sichern für die weiteren Vorstellungen im März (www.operamrhein.de)

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