Traumhochzeit in Tutzing

Mai 3, 2012 by  

„Marry me“! Mit der Liebesshow „Traumhochzeit“ moderierte sich Linda de Mol nicht nur in mein Herz, sondern auch in die Herzen eines Millionenpublikums. Wir alle erinnern uns nur zu gut an den Moment, wenn zum Ende der Show die Braut die Treppe herabstieg, der Bräutigam seine Zukünftige zum ersten Mal im Brautkleid sah und Linda de Mol anfing herzergreifend zu weinen und schluchzend sagte „Du bist wunderschön, eine so schöne Braut“, um sich dann an den überwältigten Bräutigam zu wenden „… ist sie nicht schön, deine Braut?“. Der Bräutigam nickte und schluchzte meist auch und dann brach schließlich auch die Braut in Tränen aus. Spätestens dann war es auch bei mir vorbei und ich heulte in mein 5. Taschentuch.

Mit mir vergossen vermutlich auch die meisten der rund elf Millionen Zuschauer ihre Tränen. Man stelle sich vor, knapp 50 Millionen Taschentücher –  und das pro Sendung! Ganze 11 Jahre  lang! In 92 Sendungen durfte das Siegerpaar  live im Fernsehen heiraten und in diesen Jahren flogen wohl tausende von weissen Tauben durch das RTL Fernsehstudio. Nach dem Eheversprechen stiegen beide immer in einen weissen Rolls-Royce und fuhren aus dem Studio. Ich habe nie eine Sendung verpasst. Traumhochzeit, der Quotengarant bei RTL – heiraten öffnet Herzen, zumindest bei uns Frauen.

Heiraten ist einfach ein Mädchentraum und wenn man es nicht gerade selber macht,  dann ist es auch wunderschön anderen dabei zuzusehen. Erinnern Sie sich an die Zeremonie in der Saint Paul`s Cathedral? Mehr als 750 Millionen Menschen weltweit (ich natürlich auch) saßen 1981 an den Fernsehgeräten, als der Thronfolger die schüchterne Kindergärtnerin zu seiner Prinzessin machte? Prinz Charles und Lady Diana und mit dem Kuss auf dem Balkon des Buckingham-Palastes wurde die schöne Prinzessin für immer zur Königin der Herzen! Fragen Sie besser nicht, wie viele Taschentücher ich da bereits schon als Mädchen vollgeweint habe! Ich bin halt total romantisch, ja fast schon kitschig.

Bei der Wahl des Hochzeitstermins gibt es Vorlieben. Der Wonnemonat Mai ist und bleibt der klassische Hochzeitsmonat. Eine Hochzeitsumfrage von „Elite Partner“ hat ergeben, dass sich in keinem anderem Monat so viele Paare das „Ja“-Wort geben und die müssen es ja wissen …

Meine Freundin Steffi macht da eine Ausnahme. Sie heiratet nicht im Mai. Sie hat den letzten Tag im April gewählt und ich mache mich auf den Weg nach München, denn die Hochzeit findet um 11 Uhr in Tutzing statt und die Lufthansa wird mich pünktlich dorthin bringen – glaube ich zumindest noch, als ich in den „Kranich“ einsteige. Ich reise viel und gerne und und bin recht gut organisiert. Ich trage noch meine grüne Jogginghose, das gelbe Schlabber-Shirt (das man auch gut zum Schlafen anziehen kann, natürlich nur wenn man alleine ist) und dazu meine verwaschenen Lieblingsturnschuhe ohne Schnürsenkel. Meine blonden Haare habe ich zweckmäßig zum Dutt gebunden (ich biete vermutlich ein wirklich „übersehenswerten“ Anblick). Natürlich bin ich wie jede richtige Frau mit einer viel zu großen Handtasche unterwegs, in der sich mein „Freundinnen-Hochzeits-Standesamt-Kleid“ befindet – nebst passenden Schuhen und einer wahnwitzigen Sammlung aktueller Lippenstifte versteht sich.

Gemäß meiner Planung wollte ich das Outfit stilecht auf der Flughafen Toilette in München wechseln. Denn wer sitzt schon gerne morgens um 8 Uhr in der Lufthansa zwischen lauter FTL-Anzügen und Senator-Koffern in einem knallroten kurzen engen Stretchkleid. Ich jedenfalls nicht. Doch alles kommt anders.

Während ich darauf warte, dass die Maschine endlich Richtung Startbahn wegrollt, überlege ich krampfhaft wie die bereits entstandene Verspätung aufzuholen ist. Unruhe in der Kabine. Die Stewardessen laufen von Reihe zu Reihe und ehe ich mich frage, was die wohl wollen, steht auch eine neben mir und faucht mich an  „Frau Berg?“. Eingeschüchtert von dem Tonfall zu so früher Stunde zögere ich kurz und antworte „Nein? Ich heiße nicht Berg!“. Die Stewardess weiß es besser. „Sie sitzen 7F, Frau Berg!“. Bei so viel Überzeugung überlege ich kurz, nicht doch Frau Berg zu sein (und so den Start auch zu beschleunigen, Namen sind doch Schall und Rauch). Sie guckt mich abwartend an, doch ich stehe zu meinem Namen. „Nein, ich bin nicht Frau Berg!“ antworte ich tollkühn. Sie gibt ihrer Kollegin ein verzweifeltes Handzeichen, was wohl soviel heißen soll wie „das ist nicht die Kuh, die wir suchen!“. Kurze Zeit später ertönt die Stimme des Kapitäns aus dem Cockpit. Noch bevor ich mich in den Gedanken einen Flugkapitän zu daten verliebe, vergrault der Idiot alle Flugzeuge in meinem Bauch, indem er bestimmt ankündigt, dass nun alle Gepäckstücke ausgeladen werden, da ein Passagier nicht erschienen sei. „Vielen Dank, Frau Berg!“, denke ich. Es entsteht eine gute Chance für einen dramatischen Auftritt bei der Hochzeit einer gute Freundin – zu spät nämlich!

Schließlich heben wir dann doch ab – um einen Koffer leichter (wo wohl Frau Berg geblieben ist? Vielleicht musste sie sich noch auf dem Flughafen WC umziehen?). Mir wird deutlich klar, dass die Zeit für meinen gemütlichen Kleiderwechsel mit Prosecco auf der Münchner Flughafentoilette in weite Ferne rückt und ich dieses Szenario – ohne Prosecco – auf der um einiges kleineren Flugzeugtoilette in erreichter Flughöhe vollziehen werde. Kommt man so auch in den Mile High Club? In meiner grünen Jogginghose quäle ich mich in die Konservendose, wo andere ihre Notdurft erledigen (in der man auf Langstreckenflügen dann nur zu oft in Socken steht). Ich tausche in einer artistischen Meisterleistung grüne Jogginghose und Schlabber-T-Shirt gegen mein leuchtend rotes Mini-Kleid, sprühe meine Beine mit Vanille-Kokos-Öl ein, damit sie noch besser zur Geltung kommen und schlüpfe dann in meine schwarzen High-Heels. „Ladies and Gentlemen, fasten your seatbelts!“. In letztere Sekunde fällt mir mein Dutt ein. Ich löse die Spange, schüttle die Haare hin und her – und entgehe dabei nur knapp einer schwerwiegenden Kopfverletzung. Lippenstift und Wimperntusche finden schnell ihren richtigen Platz und während die Stewardess schon hektisch an die Toilettentür klopft, klettere ich gelassen auf den Klodeckel, um mich wenigstens einmal in ganzer Pracht bestaunen zu dürfen. Etwas eitel bin ich ja schon.

Zufrieden öffne ich die Tür, strafe die verblüfft guckende Stewardess mit einem gut gelaunten Lächeln und stolziere zu meinem Platz. Raum und Zeit scheinen um mich herum zum Stillstand zu kommen. Kleider machen Leute, aber kurze rote Minikleider wirken zwischen FAZ und Tomatensaft ganze Wunder!

Endlich! Viel zu spät die Landung in München! 30 Grad und bayerischer Himmel! Auf Stöckelschuhen zum Taxi. „In 40 Minuten heiratet meine Freundin im Rathaus Tutzing! Schaffen Sie das?“, flöte ich dem übergewichtigen Fahrer ins Ohr. Ungläubig dreht er sich schwerfällig um. „Tutzing am Starnberger See?“. „Denke schon“, pflichte ich ihm unwissend bei und frage „.. das ist doch nicht weit, oder?“. „Naja, wie man’s nimmt. Die einen sagen so, die anderen so. Ein Stündchen sollten’s schon einplanen!“, sagt er, legt den Gang ein und fährt los. Mir wird schlecht, denn das bedeutet 20 Minuten zu spät! Ich zücke mein Handy und schicke Steffi eine SMS: „Lufthansa verspätet. Ich denke an Dich. Sag notfalls auch ohne mich JA!“. 50 Minuten später drücke ich dem schweißgebadeten Fahrer 100 Euro in die Hand und steige mit den Worten „Wer später bremst ist länger schnell!“ aus dem Taxi. Kopfsteinpflaster! Die Absatzfalle! Ich ziehe den Schuh aus den Fugen des Kopfsteinpflasters und stürme in Düsseldorfer Altweibermanier – jedoch humpelnd auf einem Schuh – das Rathaus. Weit und breit kein Mensch zu sehen!

In der ersten Etage finde ich endlich die richtige Tür. Hier muss es sein, denn draußen hängt ein Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht eintreten. Hochzeitszeremonie!“. Ich öffne einen Spalt und erblicke Steffi von hinten. Leise quetsche ich mich durch den Türschlitz, stelle alle Taschen ab, ziehe den letzten verbleibenden Schuh auch noch aus um  Absatzgeklapper zu vermeiden,  bewaffne mich mit dem Fotoapparat und schlängle mich barfuß an allen Gästen vorbei nach vorne, um die beste Fotoposition zu bekommen. Steffi entdeckt mich und zwinkert mir wissend zu. Das ist der Moment, in dem ich an die vielen Stunden mit Linda de Mol vor dem Fernseher denken muss. Die „Traumhochzeit“ – diesmal mit meiner Freundin Steffi. Sie sieht so glücklich aus wie noch nie, hält die Hand ihres Mannes und ich stelle entsetzt fest, dass ich diesmal kein Taschentuch dabei habe. Ich reiße mich zusammen, schließlich habe ich eine Mission und die besagt, nicht ohne das beste Hochzeitsfoto nach Hause zurück zu kehren. Noch ehe die Standesbeamtin ihrer Verblüffung Ausdruck verleihen kann, rücke ich mit entschlossenem Blick immer näher, um die Heiratsurkunde für nachfolgende Generationen festzuhalten. Ich fotografiere alles und jeden und natürlich Steffi, die vor Glück nur so strahlt. Trotz all der Hektik und dem Stress der Anreise verweilen wir kurz, während sich unsere Blicke treffen und ich zwinkere ihr noch einmal zu. „Ja , ich will!“, sagt Steffi und  der anschließende Hochzeitskuss war deutlich länger als bei allen Royals zusammen. Hier handelt es sich ganz klar um eine Heirat aus Liebe! Zwei Tränen kullern an meinem Gesicht herunter. Es sind Freudentränen auf Steffis ganz persönlicher Traumhochzeit Zufrieden stecke ich die Kamera zurück. Mission erfüllt.

Ich habe die letzte Maschine zurück. Diesmal hat Frau Berg erst gar nicht eingecheckt, denn wir starten ohne Verzögerung in den noch immer blauen Abendhimmel. Ich gucke auf München und weiß, da unten irgendwo ist meine Freundin unendlich glücklich und genau das ist es, was mich vor Freude lächeln lässt. Amor hat seinen Pfeil geschossen und die zwei Richtigen getroffen, denke ich. Ich lehne mich zurück, stecke die Kopfhörer ein und schließe die Augen. „Wild is the Wind“ – David Bowie lässt mich träumen und ich bin mir sicher: Es gibt viele Gründe zu heiraten, doch der schönste ist: AUS LIEBE!

Und wer am Wochenende nicht gerade heiratet, kann trotzdem etwas in Düsseldorf erleben:

– Freundinnen Party „Vive la Nuit“ im Les Halles

– Auf Inlinern die Düsseldorfer Brückentour fahren, oder wenn’s regnet im Wellneuss in Neuss Körper und Seele baumeln lassen

Ich werde für Steffi ein Album machen mit all meinen Hochzeits-Schnappschüssen und den Film „Love Story“ zum 10 Mal anschauen, denn  heimlich war ich schon als kleines Mädchen in Ryan O`Neal verliebt! Allein die Filmmusik garantiert Gänsehaut und gewann nicht ohne Grund 1970 den Oscar für die „Beste Filmmusik.

Kommentare