Marketing-Club Düsseldorf zu Gast im neuen „SIGN“ im Medienhafen – Marketing-Guru Meyer setzt neue Leitplanken

September 30, 2010 by  

Vergessen Sie alles, nun nicht wirklich alles, aber doch Vieles, was Sie über das Marketing gelernt haben! Prof. Dr. Anton Meyer von der Ludwig-Maximilians-Universität München, ein ausgewiesener Guru der Kunst, Produkte intelligent zu vermarkten, will radikale Änderungen.

Meyer flutete das Auditorium im  15. Stock des neuen Frankonia-Baus SIGN im Medienhafen mit neuen Erkenntnissen – rund 200 Mitglieder des Marketing-Club Düsseldorf  ließen sich  mitreißen von dem schwung- und humorvollen und mit Anekdoten gespickten Speech des Schnellsprechers.

Also, bitte aufschreiben: Die Menschen glauben nicht mehr so recht, was „von oben“ kommt. „Oben“, das sind die Marketingfritzen in den Unternehmen, das ist aber auch die Regierung und die AOK , die Tageszeitung, die Rentenversicherung, das Arbeitsamt oder die EU in Brüssel.

Marketing-Guru Meyer (links) mit Dirk Krüssenberg im 15. Stock des SIGN

Die Menschen glauben dafür immer mehr an sich und ihresgleichen. Ein Produktlob im Internet wiegt u.U. schwerer als eine Anzeige.

Meyer, ein Vordenker der Marketer Europas will, dass Marketing komplexer, weiblicher, interaktiv und integrativ, berechenbarer und nachhaltiger sowie glaubwürdiger und ehrlicher wird.

Wie das? Wurden wir bislang nur veräppelt?

Nein, so will er das auch nicht verstanden wissen. Meyer schickt nur einen Weckruf in die Landschaft, macht darauf aufmerksam, dass das „vertikale Vertrauen“ (denen „von oben“ glauben) einem „horizontalen Vertrauen“ (der Meinungsäußerung im Internet) weicht.

Was Generationen von Marketing-Leuten pauken mußten, das AIDA-Prinzip (Attention / Interest / Desire /Action), hält Meyer provokant für eine „Mißhandlung von Kundengehirnen“. Und Meyer wäre nicht Meyer, wenn er das nicht noch griffiger hinbekäme: Er fordert ein „Anti-Einbahnstraßen-‚Denken“. Von Marketing „to“ zu Marketing „with“. Soll heißen: Pfropft den Leuten nix auf, fragt

Die Professoren Specht (links) und Meyer

sie was sie wollen, wann sie es wollen, wie sie es wollen. These: Gebt den Leuten ein Service dominiertes Marketing.

Als Anti-Beispiel nannte Meyer einen Werbespot am Telefon, mit dem die Lufthansa die Buchung seines Fluges zu einem Vortrag in Lyon um zehn  Sekunden verzögert hat: „Ärgerlich“.

Weg auch mit dem altbackenen Denken an die „Zielgruppe“. Auf jemanden zielen? Wie ungehörig! Wie gestrig! Marketer der Republik: Vergesst bitte Euren Response-Messungsdreck, der die unangenehmeren Werte ausblendet! Seid transparent! Seid ehrlich! Seid glaubwürdig! Leistet Wertbeiträge für die Marke! Der Kunst des Marketing muss nach seiner Aufassung ein „investives Verständnis“ zugrundeliegen.

Credo Meyer: „Vom Glücksspiel zum Asset-Management!“

Die Forderungen des Münchner Marketing-Gurus:

  • Glaubwürdiges und ehrlicheres Marketing
  • Ehrlichere Vermarktung
  • Ehrlichere Produkte
  • Ehrlicheres Verhalten

Meyer lieferte auch die Zahlen dazu: 65 % der Menschen fühlen sich konstant von Marketing und Werbung bombardiert, 47 % ärgern sich, dass Werbung ihr Lese- und Zuschauervergnügen beeinträchtigt und 48 % fänden es richtig zu entscheiden, ob sie Werbemitteilungen bekommen oder nicht.

Die Gruppe, an der die Marketers sich zunehmend zu orientieren haben, sind die so genannten Digital Natives, junge Menschen, die mit dem Internet

Prof. Meyer am Pult im SIGN

aufgewachsen sind (im Gegensatz zu den Digital Migrants, denen über 50, die das alles erst lernen mußten oder müssen). Meyer: „Abiturienten von heute haben mehr als 5000 Stunden ihres Lebens gelesen, aber mehr als 10.000 Stunden mit Videospielen verbracht.“

Der mit starkem Applaus bedachte Vortrag Meyers wurde kongenial moderiert von Prof. Uwe Specht, der ein aktuelles Beispiel zum Thema „Verlust des vertikalen Vertrauens“ aus der Politik anführte: den Fall Sarrazin.  Bundespräsident Christian Wulff, Kanzlerin Angela Merkel und andere hatten das Buch, ohne es gelesen zu haben, verurteilt. Doch die Menschen glaubten ihnen nicht, machten aus Sarrazin einen Helden und sein Buch zum Superbestseller.

Für Dirk Krüssenberg (Foto links), den Präsidenten des Marketing-Club Düsseldorf, war der Vortrag seiner Duzfreunde ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk. Mit „Toni“ Meyer und Uwe Specht, dem ehemaligen persönlich haftenden Gesellschafter und Vorstand des Henkel-Geschäftsbereichs Kosmetik, feierte Dirk Krüssenberg in seinen 65. Geburtstag hinein. Glückwunsch!

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