Wie Westerwelle der FDP die Chancen in NRW versiebte

Februar 15, 2010 by  

Von Wolfgang Osinski

Bildhafte Vergleiche leben oder kleben. Sind sie treffend, prägen sie das Image desjenigen der sie gebraucht hat positiv. Im umgekehrten Fall  kleben sie wie Pattex, siehe  Helmut Kohls „blühende Landschaften“ .

Für Guido Westerwelle ist der Vergleich der Einstellung eines Hartz IV-Empfängers mit den Zeiten „spätrömischer Dekadenz“ eine Äußerung, die an ihm kleben bleiben wird.

Der Vergleich hinkt auch.

Kein Hartz IV-Empfänger lebt im Überfluss, nicht mal, wenn er nebenher schwarz arbeitet. Das  sozialdemokratischste aller CDU-Mitglieder, Heiner Geißler, nahm die Vorlage indes gern auf und wies darauf hin, der (dekadente) römische Kaiser Caligula habe einen Esel zum Senator ernannt, Deutschland jedoch habe seit 100 Tagen einen Esel als Außenminister. Geißler irrt: Caligula wollte sein Pferd zum Senator ernennen. Doch das mit dem Esel sitzt gleichwohl, die Äußerung gegenüber den Dortmunder Ruhr Nachrichten, befremdlich unter der Gürtellinie, machte die mediale Runde.

Westerwelle hat die FDP damit verankert. So recht er hat mit seiner Kritik an Hartz IV – ein völliges Neudenken ist hier absolut erforderlich, wenn unser Sozialsystem nicht implodieren soll: die Liberalen werden mit dieser Hypothek im Wahlkampf NRW einen Klotz am Bein haben. Bei der Bevölkerungsstruktur des Ruhrgebiets und dem hohen Prozentsatz der Hartz IV-Empfänger dort werden die wild ums Überleben rudernde SPD und die durchgeknallte Linke gern dafür sorgen, dass die Hartz IV-Empfänger erfahren, dass die FDP ihnen an die Wäsche will, eine Botschaft, die auch Geringverdiener aufsaugen werden. Das Stimmpotenzial in dieser Bevölkerungsgruppe war ohnehin sehr überschaubar, doch hat die FDP es sich auch mit den CDU-Fluchtwählern versaut:  Kein neues Steuersystem, kein Bürokratieabbau, nada, nichts. Die Stimmung in der Bevölkerung, querdurch,  ist die:  Schwarz-Rot war besser.

Jürgen Rüttgers panische Flucht an die Seite der Grünen, die allein ihm derzeit den Ministerpräsidenten-Stuhl absichern können, spricht Bände, ebenso die – politisch eher hilflosen – Attacken von Andreas Pinkwart: Abschaffung der Hotel-Subventionierung, Verbreiterung der Führungsspitze.

Deshalb wird ab dem 9. Mai vermutlich eine schwarz-grüne Koalition den Ton an Rhein und Ruhr angeben. Westerwelle hat einzig und allein die Chance,  seine Partei über die messerscharfe Diskussion über eine Neugestaltung der sozialen Sicherungssysteme langfristig zu positionieren – für die kommenden Wahlen.

Bei der NRW-Wahl wird die FDP kaum mehr punkten können.

Dass die Liberalen jetzt Angela Merkel auffordern, sich vor Westerwelle zu stellen, wirkt wenig selbstbewußt und wird nicht auf offene Ohren stoßen:  Merkel  muss Rüttgers den Rücken stärken, nicht Westerwelle.

FAZ-Kommentar zum gleichen Thema

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