Bewährung für Zumwinkel?
Februar 17, 2008 by osi
Der spektakuläre Steuerhinterziehungsfall Zumwinkel – weiterhin Diskussionsthema Nr. 1.
Dieter Ondracek, Bundesvorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft, sagte gerade bei Anne Will, auf Nachfrage, er erwarte für Zumwinkel eine Gefängnisstrafe auf Bewährung in Verbindung mit einer hohen Geldstrafe.
Auf „Achse des Guten“ empfiehlt Dr. Oliver Marc Hartwich (Foto) eine Steuerreform gegen Steuerhinterziehung und führt interessante Rechenexempel an.
Die Frage, ob es eigentlich ok ist, dass Peer Steinbrück (Foto: Die Welt) mehr als vier Mio. Euro freigab, um die CD mit Steuerhinterziehungsdaten – eine Hehlerware – einzukaufen, scheint allgemein mit Ja beantwortet zu werden. Das kann man finanziell nachvollziehen, extrem grenzwertig ist es allemal.
Bei Anne Will wurde dankenswerterweise auch thematisiert, dass WestLb, IKB und all die anderen staatlichen Banken, die Milliarden verzockt haben, dies nur tun konnten, weil die massiv mit Politikern besetzten Aufsichtsgremien komplett versagt haben.
Die öffentlich Geldverbrennerei hat mutmaßlich größeren volkswirtschaftlichen Schaden angerichtet als die bis zu tausend Steuerhinterzieher, deren Daten angeblich auf der Liechtenstein-CD verewigt sind.
Kein Thema war die Verantwortung von Steinbrück für die KfW-IKB-Misere. Fakt ist doch ganz offensichtlich, dass KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier als allein Schuldige ausgeguckt wird, obwohl Steinbrück als KfW-Verwaltungsrat ihr Aufseher war.
„ Nur wer seine Rechnungen nicht bezahlt, darf hoffen, im Gedächtnis der Kaufleute weiterzuleben“ – Oscar Wilde.
Immer wenn über die Finanz-Skandale berichtet wird, und über diese liest man öfter als man sich wünschen könnte, habe ich folgende Szene vor Augen:
Ein überdimensionaler großer Gerichtssaal, in dem ein Schauprozess zelebriert wird. Auf der Anklagebank eine Ganoven-Bande, die wegen Betrugs, Raub und Veruntreuung von sozialen Geldern verurteilt werden soll. Die Köpfe gesenkt, aus Scham oder auch aus Angst vor der Entdeckung ihrer schamlosen Gesichter. Abscheuliche Taten werden erörtert und die unbeschreibliche Empörung der versammelten Zuschauer schwebt im Saal wie Nebel. Es besteht kein Zweifel, dass Gerechtigkeit vollzogen werden muss. Der Termin der Urteils- verkündigung wird festgestellt und Verhandlung geschlossen. Dann passiert dass Schrecklichste, welches keiner sich vorgestellt hätte, und in dieser Situation frecher nicht sein könnte. Ein Richter und ein Anwalt werden während der Verhandlungen ausgeraubt. Ihre Portemonnaies sind auf unerklärliche Weise verschwunden. Wer könnte es sein? Er ist es, der kleine Klaus, der respektlos und ungeachtet der Ernsthaftigkeit der Situation mit dem Geld von anderen spielte! Äußerst peinliche Stunde für seine Eltern, die ihn im Saal frei herumlaufen ließen ohne aufgepasst zu haben.
Wie kann man jedoch ein Kind bestrafen, das noch keine relevante Beziehung zur Wirklichkeit hat und seine Laune immer durchgesetzt hat? Kann man nicht.
Die Wohlstandsgesellschaft produziert gezwungenermaßen Eliten, deren uneingeschränkt ständig steigendes Vermögen sie letztendlich von der Gesellschaft entfremdet. Der kleine Klaus wollte niemandem was Böses tun. Er ist von Hause aus gewohnt, mit Geld zu spielen und er wird bis zum bitteren Ende weiter spielen. Wie kann man den großen Klaus „asozial“ nennen, der noch keinen Mensch getroffen hat außer seinesgleichen? Richtige Menschen mit ihren existentiellen Problemen kommen in der Welt „europäischer Maharajas“ gar nicht bzw. selten vor.
Zumwinkel & Co ist doch das gleiche sozial-politische „Nebenprodukt“ wie die Arbeitslosigkeit, nur von der anderen Seite des Flusses. Ablagerungen also. Das sind die schmalen Peripherien unseres Daseins, die man in einem kapitalistischen System schlecht kontrollieren kann. Und weil sie so unkontrollierbar sind, sind der Zorn und der Ruf nach harter Bestrafung moralisch legitimiert. So denkt man wenigstens. Man bestraft doch die eigene Wunde nicht, wenn man sich verletzt hat. Man muss sie heilen.