Kaczynskis Konzeptlosigkeit
Oktober 25, 2007 by osi
Düsseldorf Blog-Leser Ronin hat diesen Beitrag über die Abwahl des polnischen Präsidenten verfasst:
Polens Veto zur Europäischen Verfassung konnte nur diejenigen überraschen, die sich in den politischen Traditionen Polens nicht auskennen.
„Wir wollen nicht mehr als unser Recht“, sagten der polnische Präsident Kaczynski, und der Regierungsbeauftragte Cichocki sieht keinen Grund zu Aufregung, da das Einlegen eines Vetos etwas ganz normales ist. Es ist für mich fast unwichtig zu wissen, ob und welche rationalen Gründe dieses Veto hatte, amüsiert habe ich mich bei dieser Nachricht prächtig, da gewisse historische Assoziationen in dem Fall für mich nicht zu übersehen waren.
Liberum veto
Die Geschichte des polnischen Parlaments oder besser Landtages fängt im 14. Jahrhundert an und endet mit der zweiten nach Frankreich modernen Verfassung vom 3. Mai 1791. Die Streitsucht des polnischen Geschlechts in dieser Zeit ist schon sprichwörtlich. Da wurde überaus gern und häufig von dem Ordnungs-Gesetz „Liberum veto“ Gebrauch gemacht, das jedem Adeligen das Recht gab, die Verhandlungen jeder Zeit nach Bedarf oder Laune abbrechen zu dürfen.
Das Einstimmigkeitsgebot (die 100% Zustimmigkeit forderte) hat sich in der Praxis als großes Hindernis erwiesen. In mancherlei Hinsicht waren die leidenschaftlichen Streitigkeiten die Ursache von zahlreichen politischen Katastrophen, die den Polen im folgenden Jahrhundert zugestoßen sind.
Streitzwang
Ist der traditionelle „Streitzwang“ plötzlich zu Wort gekommen, oder war es reiner Zufall; niemand weiß es. Fakt ist, dass es gute, lästige und überflüssige Traditionen gibt, an denen sich die Politik nach Bedarf bedient. Eine blinde Reanimation von fragwürdigen Traditionen weist auf eine politische Konzeptlosigkeit hin, die in der Politik tödlich enden muss. Und dies hat den National-Konservativen sehr geschadet und sie letztendlich gestürzt.
Von der neuen Regierung sollte man keine diplomatischen Exzesse erwarten, schon deshalb, da sie durch die Katholische Kirche nicht erpressbar ist. Das entspricht den guten aufklärerischen Traditionen, die es verdient haben, gepflegt zu werden. Nämlich die Kirche vom weltlichen Geschehen möglichst fern zu halten. God save Poland und alle europäischen Länder vor politischem Provinzialismus und religiöser Herrschaft.
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