Blick vom Schlossturm
März 27, 2006 by JvB
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
wenn es Abend wird und langsam Ruhe auf dem Burgplatz einkehrt, dann habe ich hier oben in der Laterne im Schlossturm die Gelegenheit, in der einen oder anderen Zeitung, die von Gästen liegengelassen wurde, zu blättern.
„Verkauf des Tafelsilbers!“, „Entschuldung um jeden Preis!“, lese ich. Es geht immer wieder um den Verkauf der Stadtwerke, die Privatisierung der Sparkasse oder den Verkauf sonstiger kommunaler Beteiligungen. Themen, die die Bürger, die Politiker und die Beschäftigten der kommunalen Unternehmen gleichermaßen quer durch die Republik bewegen.
Dresden hat vor ein paar Tagen mit einem Paukenschlag die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt: Verkauf aller städtischen Wohnungen an einen amerikanischen Investor. Kurz vorher schlugen die Wellen hier in Düsseldorf hoch: Auf Betreiben des Oberbürgermeisters werden die noch bei der Stadt verbliebenen Anteile der Stadtwerke an den Energieriesen EnBW verkauft. Prima, ein weiterer Schuldenabbau rufen CDU und FDP – aber um welchen Preis? Die Emotionen kochen hoch. Man hat den Eindruck, die Kommunen sind in einen Wettbewerb um die spektakulärste Privatisierung eingetreten. Der kleine Mann findet sich verunsichert zwischen den Lagern. Wird ihm doch von der einen Seite immer wieder glaubhaft versichert, dass die Privaten alles besser können. Die andere Seite kontert: Durch die Privaten wird alles teurer und der Service schlechter.
Fakt ist, kommunale Unternehmen stellen kostengünstig eine breite Palette an Dienstleistungen und Einrichtungen zur Verfügung. Kostengünstig, weil sie nicht gewinnorientiert, nur kostendeckend wirtschaften müssen. Im Gegensatz zu den privatwirtschaftlichen Unternehmungen: Dort ist oft Gewinnmaximierung um jeden Preis an der Tagesordnung. Soweit kein Problem, wenn der Markt funktioniert.
Der kommunale Betriebswirt freut sich, Beteiligungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, abstoßen zu können. Teuerer wird’s deshalb für den Bürger nicht. Und wenn schon. Was soll’s? Der Markt wird’s schon richten. Angebot und Nachfrage regulieren schließlich den Preis, hat er mal gehört. Der Bürger kann doch einen anderen Anbieter wählen, wenn’s ihm zu teuer wird oder die Leistung nicht stimmt. Der Betriebswirt hätte besser mal einen Volkswirt befragt.
Wird der Markt von wenigen Großen beherrscht, die quasi wie Monopolisten agieren können, zeigt die von CDU und FDP ideologiegleich bejubelte Marktwirtschaft ihr wahres, ihr unsoziales Gesicht: Abnehmende Angebotsvielfalt, steigende Preise und letztlich immer weniger Arbeitsplätze sind die Folge. Die Verlierer sind alle! Zuerst die Schwächsten in der Gesellschaft, dann folgt irgendwann der Rest…
Ob das die Verantwortlichen im Rathaus schon bemerkt haben?
Es grüßt vom Schlossturm
Ihre
Jakobe von Baden
Das einzige was meiner Ansicht nach zu bedenken ist: Es MUSS höchste Spardisziplin gehalten werden, wenn man nichts mehr zu verkaufen hat. Das gilt für alle Städte. Heute hatte die WZ eine recht interessante Geschichte über die Verschuldung in Deutschland. Die Staatsschulden betragen 1.492.975.775.798 ‚¬. Pro Sekunde werden es 2.113 ‚¬ mehr. Da muss der Staat umdenken, und natürlich auch die Stadt.